aa

www.einfach-gezeigt.de

Es gibt viele Möglichkeiten, sich etwas klarzumachen :-)



Wir versuchen es vor allem mit Bildern - aber natürlich auch mit verständlichen Texten.



Kästner, "Die Wälder schweigen" zwischen Rromantik und Neuer Sachlichkeit

Erich Kästner, "Die Wälder schweigen" - Romantik in der neuen Sachlichkeit

Erich Kästner wird ja der Neuen Sachlichkeit zugerechnet, der Epoche, in der man in den 1920er Jahren weg wollte vom Expressionismus mit seinen Übertreibungen und grellen Bildern.

Sehr gut wird dieser nüchterne Umgang (wohl gemerkt des Betrachters, nicht der Betroffenen ;-)) auch mit schwierigen Situationen in dem Gedicht "Sachliche Romanze".

An dem Gedicht "Die Wälder schweigen" aus dem Jahre 1936 wird nun deutlich, dass es in jeder Epoche Schriftsteller gibt, die auch mal den Rahmen des Üblichen verlassen. In diesem Falle hat man das Gefühl, das Gedicht könnte auch von Eichendorff geschrieben worden sein und damit aus der Epoche der Romantik stammen.

Schauen wir uns das mal an.


Video und Dokumentation

Es gibt hierzu auch ein Video, das hier angeschaut werden kann:

https://youtu.be/h5TxQoLBwnQ

Videodokumentation herunterladen

Die 1. Strophe

  • Ganz am Anfang taucht schon das Motiv des Wanderns auf, verbunden mit Wäldern, es geht also schon fast im Stil von Eichendorff und damit der Romantik los..
  • Dann der Kontrast dazu, die Einschränkung der Wahrnehmung: Man nimmt die Natur nicht mehr im Original wahr, sondern nur vermittelt über Medien. Heute könnte man da auch Filme einsetzen. Diese virtuelle Welt wäre dann noch eine Steigerung dessen, was Kästner hier schon als Problem sieht.
  • In der dritten Zeile erscheint dann statt „wandern“ das Wort „strolchen“ als Symbol für jugendliche Autonomie. D.h. die Jahreszeiten gehen ihre eigenen Wege, machen, was sie wollen. Hier könnte man schon mal festhalten, dass das natürlich nicht ganz stimmt, denn die Jahreszeiten folgen ja dem Jahresrhythmus – kein Frühling kann ewig Frühling bleiben. Es geht dem Dichter hier also eher um Augenblickseindrücke als um gedankliche Systematik.
  • Die vierte Zeile zeigt dann die Entfremdung der heutigen Arbeits- und Wirtschaftswelt. Man wird an das Gedicht von Novalis erinnert: „Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren“ alles bestimmen.
  • In der letzten Zeile dann die wichtige Verbindung von Sehnsucht und Entfernung von der Stadt, als dem Ort der Geschäftigkeit, der Geräusche.

Die 2. Strophe

  • Auch die zweite Strophe wirkt recht romantisch, wenn die rote Farbe von Ziegeln für das lyrische Ich zu einem Meer werden, das in Wellen erscheint. Aus einer bestimmten Perspektive kann das Nacheinander von Dächern in der gleichen Farbe wohl durchaus so wahrgenommen werden.
  • Die zweite Zeile zeigt dann wieder den Kontrast, diesmal ganz hautnah, wenn es um eine Luft geht, die man kaum noch einatmen mag. Dazu kommt eine passende Färbung durch Staub oder auch Smog.
  • Es folgen zwei Zeilen, die den Inhalt von Träumen präsentieren, es geht um Natur, allerdings nicht in der wilden Form, sondern eher in einer der Harmonie von Mensch, Tier und Natur. Was mit den Forellen im Teich passiert, lassen wir mal offen und bei den Pferden hoffen wir, dass sie gut behandelt werden.
  • Am Schluss der Strophe dann ein weiterer Kontrast zur Stadt, nämlich die „Stille“, die hier zur Bezeichnung einer ganzen Erholungswelt wird.
  • Was die Beschränkung auf einen „Besuch“ angeht, bleibt der Grund dafür offen: Vielleicht meint man, mehr gar nicht verlangen oder sich leisten zu können.



Die 3. Strophe

  • Die ersten beiden Zeilen der dritten Strophe machen deutlich, dass es hier vor allem um Flucht geht. Das lyrische Ich sieht eine allgemeine Bewegung raus aus Büros und Fabriken. Dieser Drang wegzugehen, ist so groß, dass das Ziel zunächst einmal gleichgültig ist.
  • Er ist in der zweiten Hälfte der Strophe wird dann wieder an die Naturbegeisterung des Anfangs angeknüpft und damit der Flucht doch ein Ziel gegeben.
  • Sehr gelungen erscheinen die originellen Bilder, mit denen hier die Schönheit einer mitfühlenden Natur beschrieben wird.
  • Eine gute Idee ist es auch, angesichts dieser verzaubernden Pracht die letzte Zeile vorzeitig enden zu lassen. So kann ein Aufgehen in Harmonie aussehen.

Die 4. Strophe

  • Die ersten beiden Zeilen dieser Strophe konzentrieren sich im Unterschied zur vorherigen Strophe ganz klar und eindeutig auf einen Gegensatz, nämlich den, der als „Pflastertreten“ bezeichnet wird. Gemeint ist damit, dass man auf gebahnten, vorgegebenen Straßen gehen muss und sich eben nicht einfach seitwärts in die Büsche schlagen kann.
  • Interessant dabei ist, dass diese in der Regel geraden Straßen die Seele „krumm“ machen, ein sehr schönes Bild für das, was sicherlich viele Menschen im Berufsalltag empfinden.
  • Dieser Welt gegenüber steht die Welt der Bäume, mit denen man – so stellt das lyrische Ich fest – wie mit Brüdern reden kann. Gemeint ist damit, dass man sich kennt und sich aufeinander verlassen kann. Ob das in der familiären Praxis immer so die Regel ist, muss jeder Leser für sich selbst entscheiden.
  • Zu dem vertrauten Reden mit diesen Baumbrüdern kommt in der dritten Zeile noch etwas hinzu, worüber man erst mal nachdenken muss. Gemeint ist wohl, dass man im Berufsalltag der Stadt eine nicht passende Seele entwickelt, die man jetzt umtauschen kann. Vielleicht kann man das am besten vergleichen mit Leuten, die nach der Arbeit als erstes zu Hause die Kleidung wechseln, um deutlich zu machen: Jetzt bin ich ein freier Mensch, nicht mehr fremdbestimmt.
    Wie sich das in Homeoffice-Zeiten weiter entwickeln wird, werden wir sehen.
  • Die beiden Schlusszeichen fassen die zentrale Aussage des Gedichtes noch einmal zusammen, dass die Wälder, stellvertretend wohl für die Natur, auf eine besondere Art und Weise mit einem reden können.
  • Das wird am Ende dann mit dem verbunden, was der Mensch der Arbeit nach Meinung des lyrischen Ichs am meisten braucht, nämlich Trost.



Kreative Anregung

Gerade diese Konzentration auf einen einzigen Effekt könnte man vor dem Hintergrund eigener Erholungserfahrungen, die ja von Mensch zu Mensch auch verschieden sind, noch mal alternativ durchdenken und sich ausmalen.


Vergleich mit Eichendorffs Gedicht "Abschied"

Wenn man etwas genauer prüfen möchte, wie es mit Kästners Romantik im Vergleich zu der Eichendorffs aussieht, bietet sich der folgende Vergleich an:

https://www.einfach-gezeigt.de/vergleich-eichendorff-abschied-k%C3%A4stner-w%C3%A4lder-schweigen


Wer noch mehr möchte

  • Ein alphabetisches Gesamtverzeichnis unserer Infos und Materialien gibt es hier.
  • Eine Übersicht über unsere Videos auf Youtube gibt es hier.



Share by: