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Es gibt viele Möglichkeiten, sich etwas klarzumachen :-)



Wir versuchen es vor allem mit Bildern - aber natürlich auch mit verständlichen Texten.



"Drachenwand" (Arno Geiger) - Interpretation der Kapitel mit Zitaten

Arno Geiger, "Unter der Drachenwand" - Analyse der Kapitel und Lektüretipps


  • Der Roman „Unter der Drachenwand“ des österreichischen Schriftstellers Arno Geiger erschien 2018 und und wurde sowohl bei den Literaturkritikern als auch bei den Lesern recht gut aufgenommen.
  • Ob das auch für den Einsatz als Pflichtlektüre in der Schule gilt, ist eine andere Frage. Viele Schüler werden sich fragen, wieso sie sich mit dieser intensiven Auswertung von Erlebnissen im Zweiten Weltkrieg beschäftigen sollen. Man merkt schon, dass der Autor zehn Jahre lang Tagebücher und Briefe ausgewertet hat, um sich in das Denken und Fühlen der Menschen damals einzuleben – nur: Was hilft das jungen Menschen heute?
  • Aber – wie heißt es so schön: „Was muss, das muss.“ Und häufig kommt der Appetit ja auch beim Essen bzw. in diesem Falle beim Lesen.
  • Wir machen uns jedenfalls beim Lesen auf die Suche nach interessanten Textstellen und überbrücken die Teile dazwischen durch knappe inhaltliche Zusammenfassungen. Das hilft vielleicht vielen, gut in die Lektüre des Romans hineinzukommen.

Alles auf einen Blick - unsere "Themenseite" zur "Drachenwand"

Vorab-Hinweis: Hier unsere Zusammenstellung aller Infos, Tipps und Materialien zum Roman "Die Drachenwand"

https://www.einfach-gezeigt.de/geiger-drachenwand-themenseite


Die Kapitel des Romans und wir

  • Zu den Besonderheiten dieses Romans gehört eine seltsame Kapiteleinteilung. Es gibt durchaus inhaltlich in sich abgeschlossene Einheiten, aber die Überschriften irritieren doch sehr. Spätestens bei Kapitel 4 kommt man bei der Überschrift „Während der neue Ofen“ doch als Leser ins Grübeln. Das ist ja ganz eindeutig ein unvollständiger Satz, der dann auch nicht im Kapitel selbst weitergeführt wird.
  • Aber vielleicht wird uns ja im Laufe der Zeit klar, was solche Kapitelüberschriften bewirken – außer Irritation am Anfang, bis man sich an diese vielleicht nur seltsame Angewohnheit des Autors gewöhnt hat.
  • Wir versuchen jetzt mal, den Inhalt der Kapitel auf den kürzestmöglichen Nenner zu bringen – um dann zu schauen, ob es in dem, was einem erst mal als Textwüste vorkommt, auch so etwas wie Oasen des Interesses gibt.

Zur Textausgabe, die wir nutzen

Zu den Seitenzahlen:

Wir nutzen die E-Book-Version des Hanser-Verlages:

ISBN: 978-3-446-25938-6

Carl Hanser Verlag, München 1918

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Nähere Infos zu dieser Ausgabe gibt es bei der Deutschen Nationalbibliothek:

https://portal.dnb.de/opac.htm?method=simpleSearch&query=978-3-446-25938-6


Die hier angegebenen Seiten kann man leicht umrechnen, indem man

  • die angegebene Seite durch 382 (unser E-Book) teilt
  • und dann mit 480 (letzte Seite der Schulausgabe) multipliziert.




Einstieg mit Kapitel 1

1: (4ff) Im Himmel, ganz oben

  • Auf der Fahrt ins Lazarett im Saarland blickt der Soldat Veit Kolbe auf seine recht schwere Verwundung und die drastischen Erlebnisse beim Abtransport von der Front zurück.
  • Im Lazarett geht es ihm dann doch bald besser, so dass er in seine Heimatstadt Wien entlassen werden kann.
  • Beeindruckend sind einzelne Stellen, die auf originelle Weise deutlich machen, was Krieg bedeutet:
  • Da geht es etwa um einen Arzt, der so überarbeitet ist, der fünf Streichhölzer abbricht, ohne sich die Zigarette anzünden zu können. Er braucht die Hilfe einer Rotkreuzschwester (5).
  • Oder die Situationen, in denen die Verwundeten schachtelweise Schokolade u.ä. in den Waggon geworfen bekommen, weil angesichts des Rückzugs die Vorratslager geräumt werden müssen. (6)
  • Auf S. 10 kann man sich dann über „wildes Fleisch“ informieren, das sich bei schwereren Verletzungen bildet und zu ziemlich ekligen Situationen führt.
  • Oder ein Orden dafür, „dass ich mich im falschen Moment am falschen Ort aufgehalten hatte, ein Orden für drei Sekunden Pech und dafür, dass ich nicht abgekratzt war.“ Sein Beifahrer ist nämlich von der Granate, die ihn verletzt hat, getötet worden – kein Leben mehr und auch kein Orden. (10)
  • Lektürevorschlag S.10-11
    Beginn: "So ist auch alles Glück"
    Ende: "sowie ich wieder allein war."
  • Sehr interessant ist die Art und Weise, wie auf die massenhafte Tötung von Behinderten (sog. "Euthanasie"-Morde) eingegangen wird:
  • Lektürevorschlag S. 11:
    Beginn: "Ein Bäckerjunge [...] sagte, das Lazarett sei früher ein Pflegeheim gewesen"
    Ende: der Brotbedarf sei jeden Tag derselbe geblieben"
  • Der Soldat denkt aber auch „an die fünf verlorenen Jahre“, die der bisherige Kriegsdienst für ihn bedeutet. (12)
  • Interessant ist der Grund für die Verzögerung der Abreise. Das Lazarett muss für eine Besichtigung hergerichtet werden: Die Verwundeten werden dafür vernachlässigt und das besonders gute Essen muss an den Tagen darauf wieder eingespart werden. (13)

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Wir sind hier ein bisschen ausführlicher geworden, weil das eben  der unmittelbare Eindruck ist, der hier erst mal vermittelt wird. Man kann dann gespannt sein auf das möglicherweise noch kommende "Positive" - denn man möchte natürlich bei einer Schullektüre nicht nur mit Elend konfrontiert werden.

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Aber es gibt auch Stellen, die einem in unserer Zeit heute helfen können, ein bisschen Unannehmlichkeit oder gar Schmerzen zu ertragen.

So stellt der Soldat fest:

"Ich mag es, wenn die Krankenschwester eine in weiße Watte gewickelte Spritze aus der Schachtel nimmt: 'Entspannen Sie sich', sagt sie, 'denken Sie, der Schmerz ist nicht ihrer.'"


Bei den folgenden Kapiteln werden wir versuchen, uns und unsere Lese-Erfahrungen kürzer zu fassen ;-)


Übersicht über die Kapitel 2-6

2: (16ff) Seit meinem letzten Aufenthalt

  • Zu Hause trifft Veit auf einen Vater, der voll und ganz für den Krieg ist. So stellt er erschüttert fest. „Ich hatte den Irrsinn der Front mit dem Irrsinn der Familie vertauscht.“ ( 22)
  • So ist es kein Wunder, dass er er sich zu einem Onkel auf dem Land „in eine friedlichere Welt verziehen“ will (22).
  • Hier noch ein weiteres Beispiel für sehr originelle Erzähl-Elemente:
    "Die Straßenbahnstation in der Nähe unseres Hauses war aufgelassen, um den Strom beim Bremsen und Anfahren zu sparen. Manche Fahrer verringerten im Bereich der Station das Tempo, damit Fahrgäste auf- und abspringen konnten. Doch für einen mit Krücken war das ausgeschlossen." (18)
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3: Eine halbe Fahrstunde von Salzburg

  • Ort Mondsee: positiv „abseits der Heerestraßen“ (27)
  • Unterkunft schmutzig und kalt
  • Unfreundliche Quartiersfrau, stellt wenigstens Strohsäcke zum Schlafen zur Verfügung
  • (**) Lektürevorschlag: S. 24 ("Eine halbe Fahrstunde") bis S. 25 ("wünschte mir ein gutes Ankommen"
  • Interessantes Zitat auf S. 24, nachdem Veit auf die noch größere Kälte in Russland hingewiesen hat:
    "Da besah sie mich von Kopf bis Fuß wie ein zum Verkauf stehendes Stück Vieh."
  • Dann auf S. 25 wird deutlich, was Traumatisierung bewirkt:
    "Mehrfach bellte der Hund ... in einen akuten Alarmzustand wechselte."

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  • Besuch beim Onkel
  • (*) Lektürevorschlag: Interessant ist sicher ingesamt das erste Gespräch zwischen Veit und seinem Onkel, der in Mondsee der wichtigste Vertreter des NS-Staates ist:
    Von "An diesem ersten Tag" bis "Ich versprach es und hinkte ab."

  • Auf dem Weg zum Onkel auf S. 26 wieder eine sehr originelle, weil differenzierende Bemerkung:
    "Was das Kriegerdenkmal rettete, waren die eingravierten Namen."
  • Interessante Reaktion des Onkels, als Veit sich kritisch zum Krieg äußert:
    S. 27: "
    unsere Brutalität ... Aber der Onkel unterbrach mich."
  • Interessant: Nach Heimkehr seltsames Erlebnis: will automatisch das (nicht vorhandene) Gewehr ablegen -> „Bruchstücke der Vergangenheit“ (29) überfallen ihn
    (***) Lektürevorschlag EB29:
    Interessant vor allem für die Frage der "posttraumatischen Belastungsstörung"
    siehe auch:
    https://www.einfach-gezeigt.de/drachenwand-teilthema-ptbs
    Von "In einem noch von der Front stammenden Automatismus" bis "ich erinnerte mich an den Namen des Ortes: Jawkino."
  • S. 31: "Wie weit die Verzerrung des eigenen Wesens schon vorangeschritten ist, merkt man erst, wenn man wieder unter normale Menschen kommt."
  • S. 34: Info über dene früheren Besitzer des Gasthofs Drachenwand, der mit seinem Sohn zusammen "wegen Schwarzschlachtens geköpft" worden ist.
  • S. 35: Nachdenken über die Forderung, seinen "Mann" zu stehen.
  • S. 35: Hinweis auf einen Gasthofbesitzer, der mit seinem Sohn wegen "Schwarzschlachtens" geköpft worden ist.
  • Nebenzimmer: Margot, Frau aus Darmstadt mit Kind, ihr Mann ist in Linz und muss bald an die Front
  • Besuch beim Ortsgruppenleiter: bekommt eisernen Ofen zugesagt
  • Bei Spaziergang zur Drachenwand trifft Veit eine Gruppe von 13jährigen Mädchen, die aus dem bedrohten Wien hierhin verschickt worden sind.

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4: (EB38ff) Während der neue Ofen

  • Der neue Ofen mit seiner Wärme lässt Veit „wieder zum Leben“ (39) erwachen.
  • Er besucht seinen Onkel und trifft mit ihm zusammen auf Margarete Bildstein, eine der Lehrerinnen der Schülerinnengruppe.
  • Lektüretipp: Veit und die Lehrerin
  • EB40: "Gemeinsam trafen wir auf der Straße"
    bis
  • EB43: "herauszukommen aus meinem Mief"
  • Die Mädchen sind sehr an Soldatengeschichten interessiert und wiederholen gerne irgendwelche Heldenparolen wie etwa „Mein Vater sagt, so schnell stirbt man nicht“. Veit verzichtet „darauf zu widersprechen, obwohl ich es anders erlebt hatte. Stattdessen sagte ich: ‚Diese Einstellung würde sogar einem Panzergeneral imponieren‘“.,
  • Lektüretipp: Die Mädchen Im Lager
  • EB43: "Wir erreichten das Gasthaus Schwarzindien"
    bis
  • EB45: "Und drinnen schon wieder Kommenadotöne"
  • Abends trifft Veit noch auf seine Pensionsnachbarin Margot aus Darmstadt. Es kommt nur zu einem kurzen Gespräch, aber den Rest der Kommunikation erledigen die dünnen Wände, so dass man fast „von einem Zusammenwohnen sprechen“ kann.

·       

5: (EB47ff) Nach einem zweitägigen kurzen Antäuschen

Hier muss man sich mal wieder besonders stark die Frage stellen: Was ist in diesem Kapitel interessant? 

  • Eine Figur, nämlich die Lehrerin, wird etwas klarer im Hinblick auf den jungen Soldaten: Sie ist offensichtlich an einem weiteren Kennenlernen nicht interessiert, dafür lernt er aber eine der Schülerinnen etwas näher kennen. Nanni Schaller will mit ihren Cousin Kurt zu Ostern die Drachenwand besteigen.
  • Lektüretipp: Erstes Auftreten von Nanni Schaller als besondere Persönlichkeit
  • EB50: "Eine der Verschickten"
    bis
  • EB50: "und wandte sich ab"
  • Außerdem wird Veit von seiner Zimmernachbarin Margot aufmerksam gemacht auf den Bruder ihrer Vermieterin, der in der Nachbarschaft Orchideen züchtet. Diesen Mann besucht der Soldat dann. Sie sprechen über Brasilien, wo der Mann lange gewesen ist. Außerdem gibt es von ihm eine kritische Bemerkung zur aktuellen Situation in Österreich, der der Soldat zustimmt.
  • Lektüretipp: Erste Begegnung mit dem "Brasilianer"
  • EB52: "Dann hörte ich Musik von irgendwo da draußen"
    bis
  • EB56: "meine Kriegshaut"

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6: (EB57) In der Früh ertrug ich

  • Zu Beginn des Kapitels geht es um den "örtlichen Nachrichtendienst", den die Quartierfrau verkörpert und verbreitet. Unabhängig von Veits ablehnender Reaktion ist besonders die letzte Nachricht bedenkenswert:
    "Außerdem sei Strobl Josef gestorben, seine Frau habe den Arzt holen wollen, Strobl Josef habe gesagt, lass es sein, ich werde sterben, in der Tischlade hast' Geld, schuldig bin ich niemandem was, beim Ramsauer hab ich 200 Reichsmark zu bekommen, nur dass du’s weißt. Und soll in der nächsten Sekunde tot gewesen sein."
    Hier kann man sich schon fragen, was das für eine Haltung ist und welche Bedeutung sie im Roman hat.
  • Bemerkenswert ist der abgebrochene Beschäftigungsversuch bei Onkel Johann. Deutlich wird da nämlich, dass die fünf Jahre Krieg nicht nur verlorene und nebenbei auch noch lebensgefährliche Verlustzeiten sind, sondern dort auch Kompetenzen, die man bereits erworben hat, wieder verloren gehen.
  • Der Ich-Erzähler selbst dazu: "Aber der Vorfall kennzeichnete meine Zerstreutheit, man sah, wie ich nach fünf Jahren geistig verkommen war. Andere vielleicht wenigher, aber ich ganz besonders."
    Anregung: Hier könnte interessant sein, zu überlegen, warum Veit hiervon besonders betroffen ist. Eine Hypothese ist, dass geistig aktive Menschen, so wie sich dieser Tagebuchschreiber in schwierigen Zeiten präsentiert, besonders unter den Besonderheiten einer Kriegssituation leiden.  Auch könnte man überlegen, welche auf den ersten Blick viel normalere Situation in Friedenszeiten auch geistig lähmen können.
  • Direkt danach auf dem Rückweg:
    EB57:
    "Als ich die Zeller Ache überquerte, zuckte ich zusammen: Wo ist mein Gewehr? Wo ist mein Tornister? Beide führten irgendwo im Osten ein Eigenleben, und nur die Gewohnheiten waren mir nach Mondsee ghefolgt, um mich hier zu erschrecken."
    Vgl. die Parallel-Situation auf EB29:
    https://www.einfach-gezeigt.de/drachenwand-teilthema-ptbs
  • Dann geht es um die Entwicklung von drei Beziehungen, zunächst zweimal hin zu Freundschaft (Margot und der Brasilianer),
  • im Hinblick auf die Lehrerin gibt es zumindest eine Normalisierung, aber auch Veits Einsicht, dass man sich einander wohl nur leid tut. Am Ende hat er das Gefühl, dass seine Bemühungen um diese Frau nur „verlorene Kilometer“ waren.
  • Ansonsten geht es um Luftkämpfe gegen feindliche Bomber, wodurch deutlich wird, „der Krieg rückte keinen Millimeter zur Seite.“
  • Am Ende geht Veit auf den Tod seiner Schwester ein, die einer schweren Krankheit erlegen ist. Er hat es als „verwirrend“ empfunden, „dass ein Mensch lebt und trotzdem, obwohl er lebt, nicht mehr gesund werden kann.“



Übersicht über die Kapitel 7ff

7: (EB67) Am Freitag wurden in Darmstadt

  • ·      Erster Perspektivenwechsel hin zu Margots Mutter, die in einem Brief sichtbar wird.
  • ·      Erstmals werden Luftangriffe angesprochen, daneben kommen aber auch ganz private Dinge zur Sprache,
  • ihre Sorge um die 16-jährige Bettina, die gute Schwester von Margot. Die arbeitet als Straßenbahnschaffnerin in Berlin und die Mutter sieht sie in der Gefahr, sich vorschnell einem Mann hinzu geben.
  • Das passt zu ihrer Kritik an der schnellen Heirat zwischen Margot und einem Soldaten in unsicheren Zeiten. Sie hätte Tochter und Enkelin lieber für sich.
  • Deutlich wird die Verbindung von der großen Bedrohung durch den Krieg und die Luftangriffe und den kleinen, ganz menschlichen Sorgen und Bedürfnissen.
  • Auch kann man sich fragen, ob diese Menschen mit ihren Erfahrungen der Bombenangriffe nicht auch eine posttraumatische Belastungsstörung entwickeln können:
    EB73: "Wir wir haben täglich, an manchen Tagen auch zweimal Alarm, fehlt nur, dass sie auch zum Frühstück kommen, das geht recht über die Nerven, und ich versuche, wenigstens nach außen hin ruhig zu sein. In jedem Quietschen der Gartentür, in jedem Weinen eines Säuglings hört man eine Sirene. Jedes Geräusch prüft man, ob es der Kuckuck ist."

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8: (EB76 )Susi hat mich bei der Straßenbahn  (Briefe von Kurt an seine Freundin Nanni)

  • Nächster Perspektivenwechsel, jetzt noch krasser. Es geht nämlich um fünf Briefe, die Kurt an seine Freundin geschrieben hat und die nicht mal deutlich getrennt sind und auch keine Anrede enthalten.
  • Deutlich werden
  • die Sehnsucht des Jungen,
  • aber auch die Probleme einer Beziehung in diesen Zeiten. Seine Briefe an Nanni sind nämlich von der Lehrerin geöffnet, gelesen und an den Vater von Kurt weitergeleitet worden. Der hat nichts Besseres zu tun gehabt, als ihn zu verprügeln und ihm die Einberufung zur Wehrmacht anzudrohen.
  • Der Bruder von Kurt ist insofern interessant, als er eine kritische Einstellung zum Krieg hat. Dazu kommt, dass Kurt seine Uniform nutzt, um das Problem mit der Altersgrenze bei Kinobesuchen zu umgehen.
  • Kommentar: Das ist wieder mal so ein netter origineller Einfall. Aber die Frage bleibt: Muss man das wissen?
  • EB79: Beispiel für einen sehr originellen Einfall:
    "Für Geld kann man sich sogar Tigermilch kaufen."
    Das wird nun als indisches Sprichwort präsentiert. Eine gute Gelegenheit, ein vergleichbar treffendes Sprichwort für unseren Kulturkreis zu erfinden ;-)
  • Interessante Textstelle auf EB83:
    "Gestern hatten wir Geographie- und Geschichteschularbeit in einem. Mittendrin heulten die Sirenen, wir mussten in den Keller und dort die Schularbeit fortsetzen. Wir hörten, dass schwere Bomber über uns geflogen, und aus der Ferne Detonationen."
    Die Textstelle kann sehr interessant sein, weil man sich als Schüler sehr gut in diese Situation versetzen kann. Man sitzt über einer Klausur - dann plötzlich Alarm - und dann mit allen Unterlagen ab in den Keller. Dort soll man weiterschreiben, während man zugleich Angst um sein Leben hat. So versteht man möglicherweise als Mensch von heute besser, was Menschen im Krieg erdulden müssen.

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9: (EB87ff ) Wie‘s mir geht?

  • Dritter Perspektivenwechsel, diesmal zu einem jüdischen Zahntechniker namens Oskar Meyer.
  • Er ist vielfältigen Schikanen ausgesetzt und kann Europa wegen der zunehmenden Einreisebeschränkungen vieler Länder nicht mehr verlassen.
  • Lektüretipp: Diskriminierung und Vertreibung einer jüdischen Familie
    Deutlich wird die Verzweiflung von Menschen, denen plötzlich ihr Zuhause genommen wird und die sich nun unter schwierigsten Bedingungen ein neues suchen müssen.
    Außerdem geht es um eine besondere Form von Enteignung, bei der man nur noch unter größten Schwierigkeiten für all das, was man nicht mitnehmen kann, noch etwas bekommt.
    Anregung: Situation und Verhalten des Direktors aus seiner Sicht in einem Gespräch abends zum Beispiel mit seiner Frau schildern.
  • EB87: "Wie's mir geht"
    bis
  • EB87: "aber deutlich unter Wert"
  • Im Unterschied zu seiner Frau gibt er sich Hoffnungen hin, dass das Wüten der Nationalsozialisten gegen die Juden mit ihrer sich vermindernder Zahl abnehmen werde.
  • Lektüretipp: Überlegungen zur Auswanderung:
  • von EB96: "längst außer Landes sein sollen"
    bis
  • EB 99 "nochmals auf Wiedersehen.
  • Es gelingt dann, Österreich mithilfe eines Fluchthelfers zumindest in Richtung Ungarn zu verlassen.
  • Wichtig ist die Verschärfung der Situation der Juden (Tragen eines gelben Sterns) nach dem Kriegseintritt der USA.
  • Kommentar: Der war nämlich in den Augen der Nazis ein Ergebnis jüdischen Einflusses, eine für die Juden in Hitlers Machtbereich verhängnisvolle Verschwörungstheorie.
  • Anmerkung: Zu prüfen wäre, ob es dem Verfasser gelungen ist, die verzweifelte Situation ausreisewilliger Juden wirkungsvoll darzustellen.
  • Man denke etwa an eine Dokumentation über das Auswandererschiff St. Louiscent Lewis, das im Juli 2021 im öffentlich-rechtlichen Fernsehen (als Wiederholung) ausgestrahlt wurde:
     
    https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/Die-Ungewollten-Die-Irrfahrt-der-St-Louis,sendung1106478.html
    beziehungsweise aktueller:
     
    https://www.arte.tv/de/videos/100373-000-A/die-ungewollten-die-irrfahrt-der-st-louis/
  • Man kann das in dem folgenden Buch auch nachlesen:
    Stefan Lipski u.a., Kapitän Schröder und die Irrfahrt der St. Louis
    zum Beispiel hier zu erhalten:
     
    https://www.amazon.de/Kapit%C3%A4n-Schr%C3%B6der-die-Irrfahrt-Louis/dp/3813209954 
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Kapitel 10ff

10: (EB101ff) Den ganzen Tag Schneegestöber

  • In diesem Kapitel geht es zunächst um die Schwester des Soldaten Hilde, deren Geburtstag sich jährt, wozu ihr Grab geschmückt werden soll.
  • Außerdem ist Veit zum einen ganz glücklich, mit dem Brasilianer jemanden zu haben, bei dem der “Hebel zur Gleichschaltung nicht umgelegt worden” (104) ist.
  • Anderseits warnt er ihn aber auch vor zu radikalen regimekritischen Äußerungen. Interessant dabei, dass Veit selbst sich von der Anfangsbegeisterung für Hitler noch nicht ganz hat lösen können.
  • Am Ende erleidet er auf eine Wanderung im Bereich von Schwarzindien einen traumatischen Anfall. Nanni Schallter versucht, ihm zu helfen und liest ihm dabei einen harten Brief ihrer Mutter vor. Die droht nun auch Konsequenzen an für den Fall, dass die Liebesbeziehung zu Kurt fortgesetzt wird. Veit soll sich für sie einsetzen, was dieser aber ablehnt.
  • Was ihn an dem Mädchen fasziniert:
  • “dass ein so brutal eingeschüchteres Kind die Kraft besaß, weiterhin seine Interessen zu vertreten” (111)
  • “Sie schien völlig frei, ohne Berechnung, schien gar nicht zu verstehen, was die von den Erwachsenen vorgebrachten Vernunftgründe zur Sache beitragen konnten, fest überzeugt, dass Kurt und sie füreinander bestimmt seien.” (112)

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  • Lektüretipp: Gespräch mit dem "Brasilianer"
  • von EB103: "Am Mittag des darauffolgenden Tages zog der Brasilianer mit einem an einer Stange befestigten Brett"
    bis
  • EB EB107: "die Aussichten stünden gar nicht so schlecht."

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  • Lektüretipp: Zusammenbruch in Schwarzindien und Gespräch mit Nanni
  • Von EB108: "Noch zweihundert Meter vom Lager entfernt"
  • bis EB112: "es sah aus, als gehe sie durch einen Graben mit Schlamm"

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  • Lektüretipp: Brief von Nannis Mutter an ihre Tochter mit seltsamen Erziehungsvorstellungen
    (anscheinend aus der Erinnerung des Ich-Erzählers erzählt, seltsam - so ein Gedächtnis. Ist das ein schriftstellerischer Kunstfehler, hätte es nicht direkt mit dem Lesevorgang am See in Nannis Gegenwart verbunden werden müssen?)
  • Von EB113 "Nanni! Du hast mir großes Leid zugefügt."
  • Bis EB114: "Also, du hast zu wählen! / Es grüßt dich deine Mutter!

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11: (EB115ff ) Der März war ungewöhnlich

  • Problem mit einem angeblich verwundeten Piloten, der Mädchen dazu auffordert, ihm beim Pinkeln zu helfen.
  • Große Politik: Zerstörung Frankfurts durch Bombenangriffe und Einmarsch der Deutschen in Ungarn
  • Ansonsten geht es in diesem Kapitel vor allem um das Verschwinden von Nanni Schaller. Ihr wird unterstellt, dass sie mit ihrem 17-jährigen Freund Kurt durchgebrannt ist und möglicherweise nach Indien will.
  • Das Kapitel endet mit einem erneute Angstanfall des Soldaten, wogegen er Pervitin einsetzt. Dabei handelt es sich um ein Aufputschmittel, das von der deutschen Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg vielfach eingesetzt wurde, um Soldaten zu Höchstleistungen zu veranlassen.
     
    https://www.mdr.de/zeitreise/pervitin-soldaten-krieg-droge-hitler-deutsches-reich100.html 
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12: (EB128ff) Der Elternbesuchstag

  • Sorgen der anderen Eltern wegen des Verschwindens von Nanni Schaller
  • Die Lehrerin äußert sich erstmals in einem vertraulichen Ton gegenüber Veit. Dabei geht es um sein angeblich schlechtes Aussehen, an dem er arbeiten solle.
  • In Schwierigkeiten kommt der Brasilianer, als er gegenüber den Mädchen, die ihn besuchen, sich kritisch über die NS-Rassentheorie äußert.
  • „Manchmal streute der Brasilianer unvorsichtige Bemerkungen ein: ‚In Brasilien vermissen sich die Rassen ganz selbstverständlich. Dort gibt es viele Mischlinge, das ist dort normal. Wer bei der Einschätzung von Menschen Rasse zur obersten Kategorie erhebt, höher als jede andere menschliche Eigenschaft, Intelligenz, Geist, Takt, Talent, gibt keinen Beweis seiner Überlegenheit.‘“  (136)
  • Noch gefährlicher wird es für ihn, als er in einer Kneipe eine Radioansprache des Propagandaministersso kommentiert:
    „Für den Ziegenfuß [Anspielung auf den Kl
    umpfuß des NS-Ministers Goebbele] findet sich hoffentlich bald einige gestrenge und gut gebaute Krankenschwester, die ihm eine für Geisteskranke gemachte Jacke anziehe.“ (137)
  • Lektüretipp: Die Einstellung des Brasilianers gegenüber dem "Räuber- und Kriegskontinent" Europa und seine gefährliche Kritik an Nazigrößen
  • Von EB135 "Die Existenzgrübelei des Brasilianers"
  • Bis EB 137 "gehöre der Minister für Öffentlichkeitsarbeit eher noch zu den leichten Fällen."
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13: (EB138ff) Der Brasilianer wurde nicht über Nacht

  • Der Brasilianer wird verhaftet. Veit verfolgt es mit „Herzklopfen“ (140) und muss sich erst mal dazu durchringen, der Bitte seines Freundes zu entsprechen, sich um seinen Hund und die Orchideen zu kümmern.
  • Das kommt bei vielen Leuten nicht gut an. Veits Onkel teilt ihm bald mit:
    „Er bat mich dann noch, ihn meine Beziehung zum Brasilianer zu erläutern. Es würden im Ort schon Beschwerden geäußert, ich wäre an der Front besser aufgehoben als hier.“
    (144)
    ---

14: (148ff) In den Dschungeln Schwarzindiens

  • Verschlechterung der Stimmung im Lager der Mädchen:
    „Das lag vor allem an Nanni und daran, dass kaum jemand anwesender ist als jemand spurlos Verschwundener. Das ganze Lager hatte Nanni schon satt, weil sie mehr Aufmerksamkeit bekam als alle Anwesenden zusammen.“
    (148)
  • der Brasilianer überträgt Margot und Veit ganz offiziell die Verantwortung für den Orchideenbetrieb.
  • Die Lage an der Front wird schlechter.
  • Margot erzählt, wie sie ihren Mann auf originelle Art und Weise kennengelernt hat (Zettel mit Feldpostnummer aus dem Zug geworfen)
  • sie und Veit nähern sich immer mehr an und schließlich wird daraus eine Liebesbeziehung.
    ---

15: (158ff) Da ich keine Beziehungserfahrung

  • Die Beziehung zu Margot tut Veit sehr gut:
    „Ich glaube, sie war der erste mir nahestehende Mensch, der nicht versuchte, mich zu erziehen. Das alles wusste ich nach vier oder fünf Tagen, und viel mehr konnte nicht mehr kommen. Ich war ganz erstaunt. Und ich bewegte mich mit einem davor nicht gekannten Selbstbewusstsein, in dem Gefühl, dass ich nichts versäumen konnte, dass alles an seinem Platz war.“
    (158)
  • Wichtig für ihre Beziehung ist, dass sie ganz im Jetzt leben:
    „Wir schmiedeten keine Pläne für die Zukunft, ich glaube, das war mit ein Grund, warum wir diese Wochen so genossen.“
    (160)
  • ---
    Lektüretipp: Veits Liebeserfahrung bei und mit Margot
  • Von EB 158 "Da ich keine Beziehungserfahrung besessen hatte"
  • Bis EB 161 "deshalb kam mir die kleine Zukunft gerade recht."
    ---
  • Der Brasilianer hat Glück vor Gericht gehabt, er ist nur zu sechs Monaten Zuchthaus verurteilt worden, allerdings mit dem Hinweis, dass er beim nächsten Mal „nicht so glimpflich“ davonkommen werde. (161)
  • Was die militärische Lage angeht, verschlechtert sie sich zunehmend.
    „Die Wehrmachtsberichte waren so, dass die polnische Haushaltsgehilfin bei der Arbeit sang. Ich sagte ihr, nichts gegen ihre Singstimme, aber Ihrem eigenen Interesse, sie solle sich mit mehr Zurückhaltung freuen. Ihre Stunde wäre kommen.“ (162)
  • Ähnlich humorvoll werden die Reaktionen auf die Landung der Alliierten in der Normandie vom Erzähler wiedergegeben werden:
    „Die Optimisten interpretierten zwar selbst die Invasion in Frankreich als Verzweiflungstat der Anglo-Amerikaner, denen das Wasser bis zum Hals stehen müsse, andernfalls hätten sie weiterhin auf den General Zeit gesetzt.“
    (162)
  • Veits Glück ist allerdings nicht ungetrübt. Als das Kind einmal vom Tisch fällt, bekommt er wieder einen Angstanfall. Der ist auch dadurch bedingt, dass er sich bald wieder auf seine Verwendungsfähigkeit untersuchen lassen muss.
  • Die Brutalität und Macht der neuen Herren wird deutlich, als der Mann der Quartiersfrau im Gewächshaus auftaucht und die Hündin einfach mal so nebenbei erschießt. Margot kommentiert das lakonisch mit dem Satz:
    „Es wäre an der Zeit, dass der Krieg mal zu Ende geht.“
    (169)

16: (171-181) In der Früh packte ich

  • Der Soldat fährt zur ärztlichen Untersuchung, die darüber entscheidet, ob er wieder an die Front muss.
  • Zu Hause wird auch die militärische Gesamtlage besprochen, der ständige Rückzug und die Landung der Alliierten in der Normandie
  • Lesevorschlag: 160ff: „Wir schmiedeten keine Pläne mehr“ bis kam mir die kleine Zukunft gerade recht“ (161)
  • Lesevorschlag: 162: „Rom war geräumt“ bis „Wie wird das wohl ausgehen“
    wie sich die Nazis die Niederlagen schön reden. Dabei auch eine schöne Stelle, die den Irrsinn des Feldzugs in Russland zeigt: „so leidlich unterhalten“
  • Der Soldat wird dann nur kurz untersucht und für feldtauglich erklärt, er kann es aber durchsetzen, dass er zu einem Facharzt kommt, der ihn zumindest für ein paar Wochen verschonen kann.
  • Zwischendurch werden die letzten gemeinsamen Stunden mit der todkranken Hilde geschildert.

17: (182-194) Ich bin noch immer ganz verwirrt

  • Mehrere Briefe von Kurti an seine Cousine und Freundin Nanni
  • Er vermisst sie sehr – sie ist ja verschwunden.
  • Ansonsten beschreibt er sein Leben – muss als Hitlerjunge militärisch aushelfen – vom Horchen bis zur Trümmerbeseitigung.
  • Deutlich wird auch, was die Bombenangriffe anrichten – an den Häusern und an den Menschen.
    --- 

18: EB194: Der Abschied von Wien

  • Perspektivenwechsel hin zu Oskar Meyer
  • Fortsetzung des 9. Kapitels
  • Mehrere Briefe an seine Cousine Jeanette
  • Was Wien angeht: "In gewisser Weise hatten wir das Heimweh schon gehabt, als wir noch in Wien gewesen waren." (EB194)
    Darüber kann man sicher gut nachdenken ;-)
  • Relatives Glück in Ungarn
  • Flucht nach Budapest ist gelungen
  • Freude über neu gewonnene Freiheit – auch in einer schlechten Unterkunft
  • Sie können wieder „glückliche Pläne für die Zukunft“ (195) schmieden
  • Lesevorschlag: 194-195: „In Budapest eingetroffen“ bis „begannen wir glückliche Pläne für die Zukunft zu schmieden“
  • Interessant, wie schnell sie als Emigranten Ungarisch lernen
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  • EB196: "Und weil wir in dieser totalen Zeit totale Habenichtse geworden waren, schicken wir Georgiliin die Schule, damit er etwas hatte, dass man ihm nicht an der nächsten Straßenecke wegnehmen konnte."
    Anregung: Auch dieses Zitat kann man mal auf seine Bedeutung für unsere Gegenwart hin prüfen.

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  • Dann die Verschlechterung der Lage
  • Einmarsch der Deutschen in Ungarn
  • Lesevorschlag: 198-199 „Vom Einmarsch der Deutschen in Ungarn habt ihr sicher gehört“ bis „er schrieb einen mehrseitigen Brief“
  • Er geht nur noch „auf der Schattenseite der Straße“, weil das „weniger gefährlich“ ist.
  • Trifft einen Polen, der sich als „Fachkraft im Fliehen“ (200) bezeichnet und spricht von Konzentrationslagern und von der Vernichtung von Arbeitsunfähigen durch Gas.
  • Die Lage wird schwieriger, es gibt sogar Bombenangriffe – eines Tages kehren seine Frau und sein Sohn Georg nicht mehr zurück Ihm bleibt der Trost, dass ein zweiter Sohn in England lebt.

19: (EB209-220) Wie ich in der Lebenszeichenkarte

  • Mehrere Briefe von Margots Mutter an ihre Tochter
  • Weitgehende Zerstörung von Darmstadt
  • Anschauliche Beschreibung der Leiden der Bevölkerung
  • Schwierige Versorgungslage
  • Lektüretipp: Die folgenden Seiten beschreiben sehr ausführlich, detailliert und anschaulich, wie das Leben der Zivilbevölkerung in den Städten am Ende des Krieges aussieht.
  • Von EB 209 "Darmstadt ist 99% kaputt"
  • Ein paar Stichwörter: 209: Darmstadt = 99 % zerstört
  • "nur noch Alarm"
  • "unzählige Tote"
  • "nich mal ob Mann oder Frau erkennt man"
  • "Der Himmel dröhnte, die Erde dröhnte, die Luft im Keller dröhnte. Es kam einem vor, als fielen Berge hereunter. Ich dachte immer, die nächste Bombe ist für uns."
  • 210: "Bis jetzt sollen es 22.000 Tote sein."
  • "Auch muss ich dir schreiben, dass Diesle Manfred gefallen ist, jetzt sind bald alle von deinen ehemaligen Verehrern tot."
  • 211: "Gerda Göller und Frl. Meisel waren paar Stunden verschüttet."
  • 211: Die Mutter wollte zum Ersatz-Postamt: "Zum Glück wurde ich abgehalten, sonst wäre ich unter den Toten."
  • 212: "ich habe zehn Tage nicht geschlafen"
  • 214: "Frau Birgel und Herr Berg ... sind tot. Onkel Jakob hatte sie aus dem Keller geschafft (vierzehn Leute), die die zwei in ein anderes Haus gelaufen, das dann einstürzte."
  • 216: "Viertausend Opfer sind bis jetzt namhaft, aber viele, viele tausend sind nicht zu erkennen."
  • "Wir sitzen fast Tag und Nacht im Keller."
  • Bis EB 217 "und manchmal nicht einmal essen."
  • Mutter beschwert sich, dass ihre Töchter (Margot in Mondsee und ihre Schwester in Berlin) immer was von ihr geschickt haben wollen. Es gebe keine Läden mehr.

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 20: EB221: In der zweiten Juliwoche

  • Im Dorf beginnt man inzwischen über Veit und Margot zu reden. Es ist also Vorsicht angesagt.
  • Neben dem Attentat auf den Führer gibt es schlechte Nachrichten von der Kriegssituation, Rumänien wechselt die Fronten und Paris wird kampflos an die Alliierten übergeben. In Warschau kommt es zu einem verzweifelten Aufstand der Juden im Ghetto.
  • Interessant sind einige Bemerkungen über die Beziehung zu Margot und ihre Bedeutung:
  • EB: 221: "Weil die Liebe sogar den Krieg von einem entfernt, hatten mich die Wechselfälle der Weltgeschichte seit meiner Rückkehr aus Wien nur von weitem erreicht."
  • EB221: "Und doch war ich froh, dass die Bekanntschaft zwischen Margot und mir klappte. Wir trieben es manchmal sehr wild, Margot sagte:  'Ich scheine offenbar zu allem fähig zu sein."
    (Interessante Verwendung der direkten Rede in der indirekten Rede ;-)
    EB222: "Es klappte, klapp, klapp, klapp. Wir klappten beide das Visier hoch, wollten einander nicht beeindrucken oder nicht sehr. Wir verbrachten viel Zeit miteinander, machten das unserer Ansicht nach Beste aus der Situation. Und zwischendurch hatte ich Halluzinationen von weiteren Kindern, die wir gemeinsam haben würden. Ich war selbst ganz erstaunt. Andererseits: Warum nicht? Neben Margot hatte ich die Hoffnung, ein normaler Mensch zu werden, ein Mensch wie andere normale Menschen."
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21: EB232: Aus dem Misthaufen stieg Rauch auf

  • Im Herbst kehrt der Brasilianer aus dem Zuchthaus zurück.
  • EB233: "Ich zeigte ihm das Grab des Hundes. Er bedankte sich, dieser Freundschaftsbeweis erwecke in ihm wieder den Glauben, dass es in dieser Zeit der Umwertung der Werte doch noch Menschen gebe, die diesen Namen verdienten."
  • Er zeigt sich erschrocken, „dass ihm mit solcher Härte“ (234) begegnet worden ist.
  • Das „ganze Land sei ein auf Grund gelaufenes Sklavenschiff“ (235)
  • Ihm bleibt nur der Traum von einer „Befreiungsfahrt“ (237) nach Brasilien.
  • Veit ist immer noch glücklich mit Margot, allerdings hat er den Termin seiner Wiedervorstellung beim Arzt und sage und schreibe sechs Wochen verstreichen lassen. Das kann für ihn sehr gefährlich werden.
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22: EB241: Den Onkel traf ich im Freien

  • Onkel erzählt vom I. Weltkrieg und seinen eigenen bleibenden Erfahrungen, "alles im Körper gespeichert" (EB244)
  • Lektüretipp (EB243/244)
  • "Nachher gestand mir der Onkel, dass auch er lange unter plötzlich zurückkommenden Erinnerungen gelitten habe,
  • aber irgendwann seien sie ausgeblieben, ich solle mir keine Sorgen machen.
  • In den Jahren sechzehn, siebzehn sei er in den friulischen Alpen gestanden, einige Zeit in der Bascon-Stellung, Nähe Malborgeth, dort habe er sich das Rauchen angewöhnt. Die Italiener seien in einer Scharte am Monte Piper und am Zweispitz gestanden.+
  • Oft habe er nachts Feldwache gehalten, auf diesen Feldwachen sei man ein armer Teufel gewesen, denn jeden Augenblick habe eine Lawine einen ins Tal fegen können, und das sei oft passiert.
  • Nach dem Krieg habe er manchmal ein Geräusch gehört, und in plötzlicher Panik sei ihm das Gefühl durch den Körper gefahren, jetzt kommt die Lawine, alles aus und vorbei. /
  • Er blickte auf und schaute mich traurig an.
  • Ich hielt seinem Blick für drei oder vier Sekunden stand.
  • Da senkte der Onkel den Kopf und sagte: Das ist alles im Körper gespeichert."
  • Interessant ist hier, dass der Onkel davon ausgeht, dass im Laufe der Zeit solche Körper-Erinnerungen auch ausbleiben können. Das ist natürlich eine gute Nachricht, was den am Ende überlebenden Veit angeht - zumindest kann der Leser diese Stelle so lesen.
  • Quartierfrau bedrängt Veit und bezeichnet ihn als "Drückeberger"
  • So fährt er zu einer neuen Untersuchung, kann dort aber Dokumente stehlen und sich selbst eine Verlängerung ausstellen.
  • Onkel informiert Veit, dass Nannis Leiche gefunden worden ist.
     
     


23: EB252: Die Leiche des Mädchens Annemarie Schaller

  • Am Anfang: Polizeibericht über den Leichenfund
  • Veit erinnert sich an das Mädchen und ist erschüttert:
    „Grauen erfasst du mich bei dem Gedanken, dass mit ausgepackten Augen die nicht mehr als Nalli Schaller erkennbare Leiche in der Leichenkammer lag, ohne Schlaf und ohne Gedanken.“ (252)
  • Später erinnert er sich noch ziemlich an das Besondere an diesem Mädchen („Ich erinnerte mich an Nanni …“ (253) bis „war unter anderen Gesetzen gestanden“ (254)
  • Lesevorschlag und Anregung: Mal drüber nachdenken, welche Menschen man selbst kennt, die „unter andren Gesetzen“ zu stehen scheinen als die Menschen, die man einfach nur als normal wahrnimmt.
  • Für Veits Onkel ist der Fall abgeschlossen.
  • Nanni wird auf Kosten der Gemeinde beerdigt.
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24: EB262ff Es ist immer noch hell genug zum Schreiben

  • Die kleine Lilo, Margots Tochter, ist erstmals selbstständig gelaufen.
  • Darauf reagiert auch ihr Mann, der an der Front ist und seine Frau ermahnt, ihm treu zu sein.
  • Veit dazu: „Aber für mich war Margot seit Jahren der erste erfolgreiche Versuch, mein Glück zu korrigieren, und da wollte ich nicht schüchtern sein. Naja, was kann man ändern?“ (263)
  • Interessantes Zitat zur Schreib-Situation: (EB262):
  • "Das habe ich so gern, wenn sie neben mir sitzt,
  • aber schreiben kann ich dann nicht mehr, da werden mir alle Striche schief.
  • Sie saß neben mir, und ich sprach oft zu ihr, entweder ich fragte sie etwas, oder ich sagte, das muss ich noch aufnotieren.
  • Und sie sagte, dass ich ruhig sein und schreiben solle,
  • und sie sagte, vergiss nicht zu erwähnen, dass Lilo gehen kann. /
  • 'Ich habe es schon erwähnt', sagte ich. / 'Dann ist es gut.'"
  • Als einige Zeit später der Mann der Quartiersfrau wieder auftaucht, kommt es zu Streitigkeiten mit deren Bruder, dem Brasilianer. Der lässt sich schließlich dazu hinreißen, sich lautstark gegen Rassismus und Herrenmenschentum auszusprechen. Um Kopf und Kragen redet er sich endgültig, als er im Hinblick auf Hitler feststellt, dass „der dem grausigen Europäertum den letzten Ansporn zu Gewalt und Unvernunft gegeben hat“ (268).
  • Er zieht für sich daraus die Konsequenz zu verschwinden: „… er wusste, dass sein Leben jetzt keinen Pfifferling mehr wert war, es schien ihn aber nicht im erwarteten Ausmaß zu bekümmern. Frei als Einzelner zu sterben, sei besser, als ein Sklavendasein zu führen, sagte er und stapfte los mit dem Sack über der Schulter und mit flatternden Hosenbeinen. Ein weiterer Flüchtling.“ (270)

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25: EB271: Ich schaute mich in den Zimmern um

  • Veit holt sich aus den Räumen des Brasilianers die dort versteckten Zigarren, bevor das Anwesen von Flüchtlingen übernommen wird.
  • Ansonsten melden sich bei ihm wieder die alten Muskelschmerzen: „Das Gift sickerte wieder in mich hinein. Einige Monate lang hatte ich versucht, die Illusion aufrecht zu erhalten, dass ich mit Margot bis zum Kriegsende ausharren könne, jetzt meldet sie sich die Wirklichkeit, und ich spürte, dass das Leben nicht mehr so bald in ruhige Bahnen zurückkehren würde.“ (272)
  • Sein Onkel macht sich Sorgen, er könnte auch noch an die Front müssen. Das führt bei Veit zu einigen Überlegungen:
  • Lesevorschlag „Der totale Krieg war ein totaler Betrug“ (274) bis „dass man Kriege nicht am Anfang gewinnt, sondern am Ende.“ (274)
  • Er muss dem Onkel dann zustimmen: „Wenn ich ehrlich war, hatte der Onkel recht, es war auch mein Krieg, ich hatte an diesen verbrecherischen Krieg mitgewirkt, und was immer ich später tun oder sagen mochte, es steckte in diesem Krieg auch immer mein Teil, etwas von mir gehörte auch immer dazu, und etwas vom Krieg gehörte auf immer zu mir, ich konnte es nicht mehr ändern." (276)
    Das kann man natürlich diskutieren, indem man auf viele Soldaten verweist, die ungewollt am Krieg teilnehmen mussten.
  • Interessant ist eine psychologische Überlegung im Hinblick auf seinen Onkel:
    „Man müsste sich einmal die Zeit nehmen und darüber nachdenken, ob nicht vielleicht Selbstmitleid und Verächtlichkeit die eigentlich fatalsten Gefühlsgeschwister sind im Leben der Menschen. Man müsste diese Frage einmal gründlich ausloten, ich selbst traue mir nicht zu, hier auf Grund zu stoßen. Nicht ich. Aber vielleicht ist‘s einem anderen vergönnt.“
    (276)
    Schöner kann ein Roman sicher nicht dem Leser einen Vorschlag machen 😉
  • Es kommt dann noch einmal zu einer kurzen Begegnung mit der Lagerlehrerin, wobei zum zweiten Mal „so etwas wie Nähe“ (278) entsteht, aus dem aber wieder nichts wird.
  • Als Veit wieder bei Margot ist, sagt sie ihm, dass ihre Regel nach einiger Zeit doch wieder eingesetzt hat, so dass sie nicht schwanger sein kann. Beide sind froh, dass hier keine zusätzlichen Verwicklungen entstehen. Am Ende steht eine eindeutige Liebeserklärung Veits: „Ich werde nicht aufhören, dich zu lieben, bis der angeblich größte aller Liebenden uns trennt. Und das werde ich ihm übel nehmen.“ (282)
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26: EB283: Bald ein ganzes Jahr

  • Nachdem ein Jahr vergangen ist, macht die "ungewisse Situation" (EB283) Veit immer häufiger zu schaffen. Er greift auch häufiger zum Pervitin. Auch Margot reagiert auf sein Verhalten zum Teil "befremdet" (EB283).
  • Vor diesem Hintergrund ist er fast froht, als er wieder zu einer Nachuntersuchung nach Wien einbestellt wird.
  • Dabei macht er sich verständlicherweise wegen seiner gefälschten Papiere Sorgen.
  • Als er sich bei seinem Onkel eine Fahrgelegenheit besorgen will, ist der mit der Vorbereitung einer Verhaftung beschäftigt – und zwar des Brasilianers, wie sich herausstellt.
  • Veit entschließt sich, einzugreifen, nimmt die Pistole, die er von Margot bekommen hat, macht sich auf den Weg zum Lokal Schwarzindien, aus dem die Mädchen inzwischen ausgezogen sind, und erschießt seinen Onkel – wobei er das Gefühl hat, einer „Traumlogik“ (287) zu folgen. Dazu kommt das Rauschmittel Pervitin, das er vorsorglich einnimmt.
  • Der Brasilianer kann verschwinden und Veit nimmt wohl positiv auf, was er ihm zum Abschied sagt: „Ruhig wird das Herz erst, wenn wir geworden sind, was wir sein sollen.“ (291)
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27: EB295: Es sind vom Eichbaumeck

  • Hier wird es für den Leser wieder besonders ärgerlich – denn nicht nur braucht man lange, bis man begreift, dass Margots Mutter mal wieder schreibt.
  • Dazu kommt, dass man das alles eigentlich schon weiß: Darmstadt ist durch Bombenangriffe zerstört, es wird immer schwieriger, sich Lebensmittel zu besorgen – und sie hätte ganz gerne ihre Töchter bei sich.
  • Dass ihr Mann inzwischen seine Gedanken über den Krieg geändert hat, zeigt nur einen Rest an Verstand.
  • Und dass sie ungern zur Kenntnis nimmt, dass ihre Tochter ihren Mann nicht liebt, ist auch nicht verwunderlich, ebenso wenig wie der Ratschlag, sie sollte sich nicht mit einem anderen Mann einlassen.
    Hier zeigt sich doch ein recht großes Problem dieses Romans, nämlich seine geringe Zielstrebigkeit und sein zeitweiliger Verzicht darauf, den Leser wirklich noch zu überraschen.
  • Anregung: Aber vielleicht irren wir uns ja auch mit dieser Einschätzung – dann wäre es doch eine spannende Aufgabe, zu beweisen, dass dieses Kapitel durchaus eine wichtige Funktion hat – für den Leser, denn um den geht es ja.
  • Eine Textstelle, die einen sehr nachdenklich stimmen kann, ist auf EB297 zu finden. Wenn man das einfach nur von der menschlichen Seite her nimmt, ist das ein Beispiel für eine Variante des ungeheuren Leidens, das mit Krieg verbunden ist - ganz gleich, wer ihn gegen wen führt:
  • "Vorgestern hat sich ein Soldat, der eingekesselt war und jetzt aus Russland kam, erschossen.
  • Am Bahnhof habe er sich noch gefreut, dass er mal endlich wieder daheim war, er habe gedacht, bombengeschädigt betreffe nur das Haus.
  • Da hat es ihn hart getroffen, als er erfuhr, dass seine Frau und drei Kinder schon bald acht Wochen begraben sind."
    ---

28: EB306ff: Die Sache ging sehr rasch

  • Jetzt ist Kurt mal wieder dran und hat seinem Freund Ferdl mehrere geschrieben, eine der Figuren, die wie immer bei diesem Autor nicht näher abgegrenzt und vorgestellt werden.
  • Er ist zum Volkssturm eingezogen worden, in dem sehr junge und schon ziemlich alte Männer auch noch Kriegsdienst tun müssen.
  • Lektüretipp EB308: Wie man beim Militär "geschliffen" wird:
  • Von EB308: "Und die lassen uns was anschauen"
  • Bis EB308: "Aber fragt mich jemand?"
  • Besonders beeindruckend die beiden Stellen:
  • "Exerzieren! Schnauze in den Dreck! Wie Minensucher fahren wir mit der Nase über den Boden. Wenn da einer kein gutes Herz hat, steht er nicht mehr auf. "
  • "Gestern mussten wir in der einen Stunde Mittagszeit zehn Mal den Dienstplan abschreiben, weil wir ihn nicht genau gekannt hatten. Wie denen zumute ist, die erst von der Front zurückge- kommen sind und in der Ruhestellung liegen, kannst du dir den- ken. Sie sagen, sie hätten noch vor drei Tagen Menschen sterben gesehen, und jetzt würden sie zu derlei Schreibarbeiten genötigt. "
  • Ein schönes Beispiel für poetisches Schreiben findet sich auf EB307
    " Ein ganz eigenartiges Gefühl überkommt einen, wie man es vor- her nicht gekannt hat: Einmal wieder draußen zu sein, außerhalb des Kasernengeländes, ohne Kommandos brüllende Aufsicht. Die Donau ist sechshundert Meter von der Kaserne entfernt, der Wind kommt hier immer von vorn. An den Hängen des Brauns- berges vergilben die Wälder, und vor der Stadt rosten die Ebenen. Es ist richtig Herbst geworden, und der Wind bläst die Distelsa- men über die Wiesen, und die Donau führt ihr grünes Wasser Richtung Front. Der Himmel ist manchmal wie durchsichtig, das Herbstlicht wie ausgelaugt, so dünn, Ferdl, dass man glaubt, die Vögel fallen herunter. / Und auch die Gedanken ziehen vorüber, und ich blicke hoch. und der Mund steht mir offen. und ich denke, wie kann ich so vor mich hinleben, wenn am Himmel die Gedanken vorbeifahren, und ich weiß nicht, wo Nanni ist."
  • Wieviel ihm Nanni und der Beginn ihrer Beziehung bedeutet, wird auf EB307 deutlich:
    "I
    ch weiß nicht mehr, was wir geredet haben, aber ich weiß noch, wie ich mich gefühlt habe, so leicht und glücklich, als wäre ich im Leben angekommen, nicht wie sonst immer, wenn ich mir dachte, das gibt mir ein Vorgefühl auf das Eigentliche."
  • EB313: Nanni als "freches Mädchen"
    "Einmal habe ich Nanni darauf angesprochen, dass sie ein ziemlich freches Mädchen ist, ich glaube, ich dachte in dem Moment daran, wie sie sich auf der Mariahilferstraße bei mir eingehängt hatte. Daraufhin meinte sie ganz begeistert in ihrer ungestümen Art: Ja, tatsächlich, ich muss mich immer zusammenreißen."
  • Man wird hier erinnert an den Titel des Buches: "Gute Mädchen kommen in den Himmel, böse überall hin. Warum Bravsein uns nicht weiterbringt."
    Vielleicht lohnt sich hier eine Buchvorstellung.

    ---
    Man kann auch eine Verbindung herstellen mit dem Satz auf EB310:
    "Erwachsen sein heißt ja vor allem, dass man gelernt hat, sich zu beherrschen."
  • Im ersten Brief weiß er noch nicht, dass seine Freundin Nanni tot ist, das ändert sich später und entsprechend verzweifelt ist er.
  • Ansonsten bekommt Kurt auch all die Schwierigkeiten und Unannehmlichkeiten in dieser Kriegssituation zu spüren, verstärkt noch durch unnötigen militärischen Drill.
  • EB313: Die Begegnung mit Veit, der ihm Nannis Briefe übergibt, aus der Sicht von Kurt.
  • EB316: Ein Bild des Grauens, was den Krieg angeht, aus der Sicht von Kurt:
    "
    Seit Tagen tobt in unserem Raum eine furchtbare Schlacht. In der Nacht ist der Himmel blutrot gefärbt. Seit drei Tagen trommelt die Artillerie ununterbrochen. Die armen Leute vorne im Graben. Wir liegen in dem Dorf, in dem sich der Hauptverbandplatz befindet. Zu Fuß, auf Karren und Autos kommen die Verwundeten an. Das geht Tag und Nacht. Ein Bild des Grauens. Diese Bilder werde ich nie vergessen. / Donnerstagvormittag war ich mit einigen anderen vorne in einem Dorf, am Abend saß bereits der Russe drin. Eines der indischen Sprichwörter in Papas Sprichwörterbuch kommt mir jetzt öfters in den Sinn: Wer auf die Jagd nach einem, Tiger geht, muss damit rechnen, auf einen Tiger zu treffen."
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29: EB318: Deutsche Einheiten auf dem Rückzug

  • Wieder Perspektivenwechsel hin zu Oskar Meyer
  • Fortsetzung des 18. Kapitels
  • Rückzug der Deutschen -> viele Truppen in Budapest
  • Statt Befreiung vom Rassenwahn breitet der sich auch bei den Ungarn aus – wobei die sog. „Pfeilkreuzler“ eine große Rolle spielen.
  • Anregung: Referatmöglichkeit
    Ausgangspunkt:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Pfeilkreuzler
  • Oskar lebt in schwierigsten Verhältnissen, d.h. auf engstem Raum – und das in der Nähe des Bahnhofs. Er vermutet, dass die Juden dort absichtlich untergebracht sind wegen der höheren Wahrscheinlichkeit von Bombenangriffen.
  • Am Beispiel eines jungen Juden, der von Pfeilkreuzlern zu Tode geprügelt wird, erkennt er den schrecklichen Zusammenhang von Grausamkeit und einer Art Bühnenwirksamkeit bei den Zuschauern.
  • Zitat: „Schon in Wien hatte ich mich verschiedentlich vergewissern dürfen, dass dort, wo keine Zuschauer waren, weniger Gefahr bestand, schikaniert zu werden. Und die Misshandlungen dauerten weniger lang. Jeder, der stehen bleibt und gafft, gibt dem Publikum Fülle und Ansehen und verlängert dadurch das Leiden derer, die gequält werden. Er soll sich also niemand einbilden, nur Zuschauer zu sein. […] Ich glaube, einem Mörder gehört die Gegenwart wie sonst niemandem, ich glaube, deshalb wird es immer Mörder geben.“ (324) (324)
  • Vergeblich versucht er herauszufinden, wo seine Frau und sein verschwundener Sohn sind.
  • Schließlich meldet er sich zu einem Arbeitseinsatz – in der Hoffnung „auf ein Entkommen aus dem erzwungenen Nichtstun“. Bald zeigt sich aber, dass es dort nicht anders zugeht als bei den Judentransporten der Nazis: Wer nicht mehr kann, wird erschossen.
  • Menschlich sehr berührend ist vom Verfasser eine Traumsituation eingefügt worden, in der sich Oskar zunächst bei seiner Frau und seinem Sohn dafür entschuldigt, dass er sie nicht besser hat beschützen können. Als er seiner Frau einen Schal zeigt, der als einziges Erinnerungsstück ihm geblieben ist, gleitet „ein Lächeln über ihr Gesicht, begleitet von einem Nicken, und es war, als hätte sie mir die Erlaubnis gegeben, mich nicht nicht mehr schuldig zu fühlen.“ (332)

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30: EB334: So tauche ich wieder in den Winter ein

  • Veit bekommt vom Amtshelfer seines toten Onkels eine Fahrerlaubnis nach Wien, wo sein Gesundheitszustand überprüft werden soll. Außerdem erhält er auf seinen Wunsch hin die Briefe, die Kurt an Nanni geschrieben hat. Er will sie ihm zurückbringen.
  • Veit und Margot müssen sich darauf einstellen, dass er wieder an die Front muss. Margot hat fest vor, sich nach dem Krieg von ihrem Mann scheiden zu lassen. Deshalb ihre Bitte an Veit: …tu, was du kannst, damit du zurückkommst. Sonst erwarte ich keine Heldentaten von dir.“ (337)

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31: EB340: Der Westbahnhof war dick verqualmt

  • In Wien besucht Veit das Grab seiner Schwester und erinnert sich an das Ende ihres Lebens.
  • Mit Veits Vater gibt es immer noch Streit um den Krieg.
  • Wichtig sind in diesem Zusammenhang die Erinnerungen Veits an sein Kindheit, „dieses ständige Voranpeitschen der Kinder mit Kritik“. Er hat sogar das Gefühl, dass die ständige Wiederholung von Wörtern wie „Standhaftigkeit und Konsequenz“ ihm die Kindheit verdorben haben.
  • Bei der Untersuchung hat Veit keine Chance, noch einmal freigestellt zu werden. Selbst ein Bestechungsversuch scheitert. Demütigend für ihn ist besonders, dass der Arzt das Geld nimmt, aber trotzdem bei seinem Urteil bleibt. Das einzige, was er raushandeln kann, sind zwei Dosen Pervitin, dazu kommt mit Hinweis auf sein angeblich uneheliches Kind ein Aufschub von zwei Tagen.
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32: EB353: Seit es mit Margot

  • Auf der Heimfahrt kommt Veit durch eine Gegend, die in der Geschichte schon viele Grausamkeiten gesehen hat. Bei den Nibelungen, die vor ihrer Todesreise zum Hunnenkönig Etzel hier Rast gemacht haben, sieht er vor allem „Verblendung, Hochmut und falschen Stolz“ – was für ihn sicherlich eine Beziehung zu seiner Gegenwart hat.
  • Dann erreicht er die Kaserne, in der Kurt jetzt sein soll. Und tatsächlich kann er ihm seine Briefe an Nanni zurückgeben, allerdings tun sie sich schwer mit der Situation.
  • Weil der Zug nicht weiterkommt, geht Veit eine lange Strecke zu Fuß und begegnet dabei einem jüdischen Zwangsarbeiter, bei dem ihm das bunte Tuch auffällt. Der Leser erkennt daran, dass es sich um Oskar Meyer handelt, was Veit natürlich nicht wissen kann.
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33: EB364: Ich saß auf dem Fensterbrett

  • Veits letzte Tage mit Margot und Lilo in Mondsee
  • Sie vereinbaren für die Zeit nach dem Krieg einen Treffpunkt
  • Margot findet nach einem Streit mit der Quartiersfrau eine neue Unterkunft und Arbeit bei einem Fleischermeister
  • Hier gibt es zwei interessante Textstellen:
  • EB372: Veit hat Probleme mit dem blutigen Fleisch in dem Geschäft, aber er hat sich erkennbar weiterentwickelt und kommt damit inzwischen klar:
    "Und während der Fleischhauer und Margot sich unterhielten, ließ sich die Bilder kommen, ich war bereit, sie anzunehmen als etwas, das mir Dinge zeigte, die man kennen muss. Und auch, dass ich in meiner Angst nicht allein war, machte es leichter."
  • EB373: Als Margot jetzt ein neues Zimmer bezieht, das er als Basis für eine zukünftige Gemeinsamkeit ansieht, stellt Veit fest:
    "
    In dem Moment, in dem ich durch die Tür trat, spürte ich, dass ich mich von etwas losgerissen hatte und endlich ein eigenes Leben besaß. "

·      Veit will nach dem Krieg „die Jahre retten, die ich verloren habe“.
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34: EB378: Wir warteten auf das Milchauto

  • Veit muss sich verabschieden,
  • bedankt sich aber innerlich bei Margot "für jede gemeinsame Minute". (EB378)
  • Unterwegs nimmt er Abschied von der Drachenwand und von der toten Nanni Schaller.
  • "Dann verschwand die Wand aus meinem Blick, und ich schloss die Augen im Wissen, dass wie vom Krieg auch von Mondsee etwas in mir bleiben wird, etwas, mit dem ich nicht fertig werde." (EB379)
    ---

EB 380: Nachbemerkungen

  • Überraschend tritt ein übergeordneter Erzähler tritt, der den Eindruck erweckt, die Figuren des Romans seien normale Menschen, deren Leben über das Romanende hinausgegangen ist.
  • Veit kann nach dem Krieg Margot heiraten – ein überraschendes Happy End. Auch kann er noch Elektrotechnik studieren.
  • Kurt wird noch kurz vor Kriegsende tödlich verwundet.
  • Oskar Meyer wird auf einem Transport in ein KZ im März 1945 ermordet.
     



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