aa

www.einfach-gezeigt.de

Es gibt viele Möglichkeiten, sich etwas klarzumachen :-)



Wir versuchen es vor allem mit Bildern - aber natürlich auch mit verständlichen Texten.



Klassik - Rezension eines Vortrags von Mandelartz

Vorstellung des Vortrags von Michael Mandelartz zur "Weimarer Klassik"

  • Wenn es um die "Weimarer Klassik" geht, findet man in allen Schulbüchern viele Informationen, die für ein Grundverständnis sicher ausreichen.
  • Wenn man aber genauer und tiefer einsteigen will, muss man schon zu Informationsquellen greifen, die näher an der Wissenschaft dran sind.
  • Zum Thema "Weimarer Klassik" gibt es glücklicherweise einen sehr guten Vortrag, den man im Internet hier finden kann:
    https://www.isc.meiji.ac.jp/~mmandel/weimarer_klassik.html
  • Wir zeigen im Folgenden, wie man so etwas für sich selbst auswertet und wie man es zum Beispiel Mitschülern vorstellen kann.


Wichtig ist beim Lesen gleich darauf zu achten, zu welchem Teilthema der Autor sich äußert.

In diesem Fall ist es so, dass zunächst einmal geprüft wird, inwieweit man den Begriff der Klassik auf Goethe und Schiller als die Hauptvertreter der deutschen Klassik überhaupt anwenden kann.


Dabei wird man auf Folgendes aufmerksam gemacht:

  1. In England werden die beiden deutschen Großdichter zur Romantik gezählt, was man genauer überprüfen müsste. Hier ist es eher eine Anekdote am Rande.
  2. Der Blick nach Frankreich macht deutlich, dass Goethe und Schiller nicht in gleicher Weise "Nationalautoren", also die Vertreter der klassischen Epoche eines Landes sind, weil es um 1800 zwar noch ein "Heiliges Römisches Reich deutscher Nation" mit dem Kaiser in Wien gab, aber das vereinte die Deutschen politisch schon lange nicht mehr und es ging auch 1806 folgerichtig unter.
  3. Anschließend wird vom Begriff ausgegangen, der auf das römische Steuersystem zurückgeht und "dann den steuerpflichtigen, 'erstklassigen' und mustergültigen Schriftsteller" bezeichnet.
  4. Damit hat man ein erstes allgemeingültiges Kennzeichen, nämlich das Mustergültige.
  5. Andererseits wird darauf hingewiesen, dass die Klassik immer mehr oder weniger an die antiken Vorbilder  gebunden sind - auch wenn versucht wird, das auf die jeweilige Gegenwart zu übertragen. Es bleibt also eine Grundspannung zwischen Orientierung an der Vergangenheit und dem Versuch der Übertragung auf die Gegenwart.

Was man sich schon mal merken könnte:



  1. "Klassisch" meint besonders wertvoll, mustergültig, repräsentativ, vorbildhaft.
  2. Es steht im Spannungsfeld zwischen der Orientierung an der Antike und dem Versuch, das von dort aus als mustergültig Erkannte auf die jeweilige Gegenwart zu übertragen.
  3. Kommentar: Ein schönes Beispiel ist Goethes "Iphigenie auf Tauris" im Vergleich zu "Iphigenie bei den Taurern" von Euripides.
    Wir halten hier schon mal zwei Dinge fest:
  • Zum einen legt Goethe viel mehr Wert auf die innere Entwicklung der Figuren (bsd. Iphigenie und Thoas), während bei Euripides die Handlung im Vordergrund stand.
  • Außerdem kann man am Beispiel der Götterbild-Problematik sehr schön sehen, dass Goethe auf so etwas wie den "deus ex machina" (künstlisches Eingreifen der Götter) verzichtet und dafür eine ganz natürlich Erklärung des Schwestern-Hinweises bringt (nicht Statue der Göttin stehlen, sondern die Schwester des Orest mit nach Hause nehmen).
    Näheres zu Iphigenie: siehe
    https://www.einfach-gezeigt.de/iphigenie-themenseite

Goethes Position zur Frage der Möglichkeit klassischer Autorentätigkeit in Deutschland

  • Goethe selbst war - wie Mandelartz herausarbeitet, skeptisch, was die Voraussetzungen für klassisches Schriftstellertum in Deutschland angeht.
  • Dabei geht es Goethe nicht nur um das Fehlen eines solchen Zentrums, wie Paris es in Frankreich darstellte,
  • sondern ihm fehlt auch ein Publikum,
  • mit dem der Autor gewissermaßen "interagieren", also sich austauschen kann.
    "Ohne den unmittelbaren Kontakt zum Publikum aber isoliert sich die Poesie von den politischen, religiösen und moralischen Zeitfragen und verliert umgekehrt die Fähigkeit, auf das gesellschaftliche Leben einzuwirken."

Goethes Lösung des Problems, kein "klassisches" Publikum zu haben

  • Goethe löste das Problem für sich, indem er sich in die Dienste des Weimarer Herzogs begab,
  • wo er zwar gar nicht mehr dazu kam, als Dichter aktiv zu sein,
  • wo er aber durch die Beziehung zur Hofgesellschaft auf die Gesellschaft einwirken konnte:
    Sein Ziel ist eine "direkte Einflussnahme auf die gesellschaftlichen Belange im Sinne der 'Erziehung' des Adels zur aufgeklärten, verantwortlichen Wahrung der Interessen aller sozialer Schichten. Im Duodezfürstentum Weimar kann er seine Vorstellung vom 'tätigen Leben' des Individuums innerhalb eines relativ geschlossenen Horizontes — allerdings auf Kosten der poetischen Produktion — realisieren."

Die Bedeutung der "italienischen Reise"

  1. Ausführlich geht der Verfasser auf die italienische Reise ein, die Goethe zur poetischen Tätigkeit zurückbringt:
    "an den Werken der Antike und der Renaissance findet Goethe die 'geschlossene Form', die er an der zeitgenössischen Kunst als Produkt von Subjekten, die vom gesellschaftlichen Leben isoliert sind, vermißt. In ihnen verständigte sich, so Goethes Auffassung, die Gesellschaft über sich selbst, sie haben öffentlichen Charakter und gehen dadurch über die bloße Willkür subjektiver Äußerungen hinaus."
  2. In den antiken Kunstwerken sieht Goethe sowohl den Gegensatz zwischen Subjekt und Gesellschaft überwunden, aber auch den Gegensatz zwischen Subjekt und Objekt, wobei damit hier die Natur gemeint ist.
  3. Goethe passt sich der antiken Vorstellung von der Kunst als Nachahmung der Natur an. Dabei ist gemeint, dass der Künstler die Prinzipien seiner Kunst nicht in sich selbst findet, sondern in den Gegenständen, die er bearbeitet.
  4. Das führt für ihn dazu:
    „Diese hohen Kunstwerke sind zugleich als die höchsten Naturwerke von Menschen nach wahren und natürlichen Gesetzen hervorgebracht worden. Alles Willkürliche, Eingebildete fällt zusammen, da ist Notwendigkeit, da ist Gott.“
  5. Der Verfasser macht deutlich, dass Goethe hier einen ganz großen Sprung macht:
    "Goethe rezipiert die antike Kunst in Italien, als ob der gewaltige zeitliche Abstand zur Antike nicht bestünde.
    Und etwas weiter heißt es:
    "Es scheint zunächst so, als ob Goethe in Italien das moderne Prinzip der Subjektivität und damit auch die Errungenschaften der Aufklärung gegen ein unter den Verhältnissen des 18. Jahrhunderts vollkommen unrealistisches Ideal des Einklangs von Natur, Gesellschaft und Kunst eingetauscht habe."
  6. Letztlich ist es das Ziel Goethes,
    "die antiken Muster nicht bloß 'nachzuahmen', sondern ihnen Werke gegenüberstellen zu können, die ihre Modernität nicht verleugnen und dennoch nicht im Widerspruch zu den klassischen Werken der Antike stehen."
    ---
  7. Voraussetzung dafür sind nach Goethe zum einen
  8. "das unablässige Naturstudium des Künstlers"
  9. zum anderen ""
  10. was Goethe als "Gabe der Natur" sieht, "die durch das Genie wirkt."

Goethe und Schiller ab 1788

  • Nach der Rückkehr Goethes: Aufgabe der "Poesie zugunsten praktischer Tätigkeit und Naturstudium"
  • Schiller, seit einem Jahr schon da: Studium der Philosophie Kants, Bereich Geschichte und dann bsd. Ästhetik
  • Er sieht ein moralisches Interesse in der Geschichte, Freiheit ist für ihn der höchste Zweck der Vernunft
  • Daraus abgeleitet Schillers Theorie der Ästhetik:
  • "Während Goethe die Kontinuität zwischen den Produkten der Natur und der Kunst hervorhebt",
  • "betont Schiller den Bruch zwischen dem notwendigen Geschehen der Natur und der Selbstbestimmung aus Freiheit als Prinzip der Subjektivität."
  • lobt den Sündenfall - weil der zwar die moralischen Übel in die Welt bringt, aber dem Menschen auch die Freiheit in Selbstverantwortung gibt.
  • Ziel: Wieder Vereinigung mit der Natur, aber auf der Basis von bewusster Übereinstimmung
    ---
  • Goethe und Schiller ist gemeinsam, "sehen beide im gegenwärtigen Weltzustand eine Disproportion zwischen Natur und Vernunft"
  • "Goethe aber will sie durch einen Rückgang der Vernunft auf ihre Quellen in der Natur überwinden"
  • "Schiller im Gegenteil durch den Primat der Vernunft über die Natur."
  • Terrorzeit zeigte Schiller, dass der Prozess direkt nicht möglich ist.
  • Deshalb braucht er eine Art ästhetische Schulung des Menschen als Brücke zwischen dem Jetzt und dem Idealzustand.
  • Danach erklärt sich Schiller bereit, auf die Poesie zu verzichten, sie hat dann ihren Zweck erfüllt.
    Anmerkung: Das ist natürlich eine absolut reduzierte Vorstellung von der Eigenart und der Funktion des Schönen, also der Kunst.

Schillers Interpretation Goethes im sog. "Geburtagsbrief" von 1794

  • Schiller sieht in Goethe einen "griechischen Geist", der das Schöne zwar intuitiv nach objektiven Gesetzen produziere, unter den gegenwärtigen geschichtlichen Bedingungen aber nicht auf eine Wirklichkeit treffe, die seinem Verfahren entgegenkomme."
  • Hier gibt es für Goethes Freund nur zwei Möglichkeiten:
  • entweder wird er letztlich doch zum modernen Schriftsteller
  • oder die "Imagination" durch "Nachhilfe der Denkkraft zu ersetzen" "und so gleichsam von innen heraus und auf einem rationalen Wege ein Griechenland zu gebären".
  • Letztlich glaubt Schiller, dass beide sich so auf halbem Wege begegnen können.

Schiller in weiteren Schriften

  • Sowohl Goethe als auch Schiller wollen vor dem Hintergrund der Französischen Revolution aktuelle politische Fragen möglichst ausklammern.
  • Schiller hat sich einen anderen Weg ausgedacht, der in den Briefen "über die ästhetische Erziehung des Menschen" deutlich wird.
  • Die Kunst hat für Schiller die Funktion, "durch die Vermittlung zwischen menschlicher Natur und Vernunft in einem 'Reich des Spiels' die noch unaufgeklärten Mitglieder der Gesellschaft schon unter den politischen Bedingungen des Feudalstaates auf den freiheitlichen Staat der Vernunft vorzubereiten."
  • Letztlich läuft es auf das hinaus, was oben schon angedeutet worden ist, dass die Kunst für Schiller ihre besondere Funktion nach dem Abschluss dieses Prozesses verliert und nur noch "dekorativen Charakter " hat.
  • Von Goethe lernt Schiller, die Natur als neben der Vernunft gleichberechtigte Quelle der Poesie anzuerkennen.
  • In der Schrift "Über naive und sentimentalische Dichtung" wird die Natur zu einem positiven Ausgangszustand (Existenz nach eigenen Gesetzen), der auch im Endzustand der Freiheit wieder erreicht werden soll.
  • In der Zwischenzeit zwischen diesen beiden Zuständen gibt es ständige Konflikte zwischen Natur und Kunst.
  • Die beiden eben schon genannten Begriffe werden so gefüllt:
  • "das Naive stellt in einem beschränkten Bereich ohne Vernunft die vollkommene Übereinstimmung mit sich selbst dar"
  • das Sentimentalische stellt "den vollkommenen Bereich vernünftiger Ideale bloß unvollkommen dar".
  • "In der Vereinigung des Positiven beider würde sich die Geschichte vollenden."

Goethes Umgang mit Schillers Konzeption

  • Goethe stimmt Schiller grundsätzlich zu
  • und präsentiert in dem Novellenzyklus 'Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten' grundsätzlich Distanz zur Politik, in der Praxis wird aber doch recht breit über die Französische Revolution diskutiert.
  • Ähnlich praktisch ironisch geht Goethe mit Schillers Ansichten in "Hermann und Dorothea" um.
  • Er "bedient sich in Anlehnung an die Epen Homers in diesem 'idyllischen Epos' der Versform des Hexameters und überschreibt die Gesänge mit den Namen der neun Musen."
  • Inhaltlich geht es aber um zeitgenössische Ereignisse.
  • Am Ende steht das Fazit des Vortrags:
    "Gerade seine vielleicht klassischste Dichtung scheint Goethe in einer ironischen Haltung geschrieben zu haben, die Skepsis gegenüber der eigenen Klassizität verrät".

Wir setzen das hier noch fort, empfehlen aber auch die eigenständige Lektüre des oben aufgeführten Vortrags.

https://www.isc.meiji.ac.jp/~mmandel/weimarer_klassik.html

Wer noch mehr möchte

  • Ein alphabetisches Gesamtverzeichnis unserer Infos und Materialien gibt es hier.
  • Eine Übersicht über unsere Videos auf Youtube gibt es hier.



Share by: