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Es gibt viele Möglichkeiten, sich etwas klarzumachen :-)



Wir versuchen es vor allem mit Bildern - aber natürlich auch mit verständlichen Texten.



Galilei (Brecht), Inhalt und Zitate

Bertolt Brecht, "Leben des Galilei" - Überblick über den Inhalt und Schlüsselzitate (mit Interpretation)

Auf dieser Seite geht es um einen Überblick über den Inhalt und die Aussagen von Brechts Drama "Leben des Galilei".

Aktuell ist das noch eine sehr ausführliche Vorstellung der 15 Szenen.

Wir werden das später in einem Schaubild knapp zusammenfassen und die einzelnen Szenen auslagern. Das erleichtert die Übersicht und den Zugriff.

  • Wir verwenden die Text und Kommentar-Ausgabe der Suhrkamp BasisBibliothek, in der der Text des Schauspiels bis Seite 133 reicht. Dementsprechend verweisen wir auch auf die Seiten dort. Ggf. kann man das schnell auf andere Ausgaben umrechnen.
  • Das geht so:
  • Man nimmt die 133 Seiten, die der Text bei uns hat. (u)
  • Dann nimmt man die letzte Seite des Textes bei der eigenen Textausgabe (e)
  • Die Formel ist dann u geteilt durch e mal u.
  • Auf Wunsch erstellen wir auch gerne eine Tabelle. Dann kann man da schnell bei jeder Zitatstelle nachschauen.

https://www.schnell-durchblicken.de/kontakt/

  • Am Ende hat man dann einen Seitenbereich, in dem man das Zitat sicher schnell in der eigenen Ausgabe findet.

Vorab-Info: Was man wissen sollte, um das Stück gleich gut zu verstehen

Versuch, den Inhalt so vorzustellen, dass man sich dann auf die Schlüssel-Textstellen konzentrieren kann.

  1. In dem Stück geht es um den italienischen Gelehrten Galileo Galilei, der um 1600 lebte.
  2. Er steht für ein neues wissenschaftliches Denken, bei dem nicht mehr die Kirche bestimmten kann, was richtig ist.
  3. Konkret geht es vor allem um die Astronomie, also die Wissenschaft von der Stellung der Erde im Weltraum.
  4. Die Kirche vertritt hier ein altes Weltbild, bei dem die Erde im Mittelpunkt steht. Das muss sie auch, weil der Jesus als Gründer des Christentums in Jerusalem gelebt hat - und er und seine Lehre sind das Zentrum der Religion. Er steht nämlich für die Erlösung der Sünden und die Hoffnung auf ein ewiges Leben im Jenseits.
  5. Die Kirche wurde nun durch neuere Forschungen herausgefordert, die sich vor allem mit dem Namen des Nikolaus Kopernikus verbinden. Man spricht deshalb auch von dem "kopernikanischen" Weltbild. Dieser Kopernikus lebte etwa 100 Jahre früher als Galilei und setzte die Sonne in den Mittelpunkt, umgeben von den Planeten auf ihren Kreisbahnen. Damit war die Erde plötzlich aus dem Zentrum der Welt herausgerückt und nur noch ein Trabant (Begleiter) der Sonne. Aus kirchlicher Sicht war das eine Katastrophe, weil mit Jerusalem auf der Erde auch auch ihr Glaube nicht mehr im Zentrum stand.
  6. Das Problem war nun, dass die christliche (=katholische) Kirche im Mittelalter und in der frühen Neuzeit (bis zur Reformation Martin Luthers) als "allein seligmachend" und für alle verbindlich galt. Wer nicht so glaubte, wie die Kirche es vorschrieb, galt als Ketzer und wurde auf dem Scheiterhaufen verbrannt.
  7. Das war zum Beispiel Giordano Bruno im Jahre 1600 geschehen, der sogar die Meinung vertrat, auch die Sonne und ihre Begleiter seinen nur ein Teil von vielen anderen Sonnensystemen. Verbrannt wurde auch Jan Hus (1415), der vor Martin Luther schon versuchte, die christliche Kirche zu reformieren.


Szene 1: Vorstellung Galileis und seines Denkens in Padua (1592 bis 1610)

Szene 1: Inhalt: Gezeigt wird Galileis Lebenssituation in Padua (das zu Venedig gehört, ca. 40 km östlich)

  • Galilei beim Frühstück
  • Diskrepanz zwischen Geldnot und Forschungs-Enthusiasmus
  • Andrea, Sohn von Frau Sarti = Gesprächs- und Lernpartner
  • Galileis Begeisterungs-Rede: Schlüssel-Zitat:  “Neue Zeit
  • Frau Sarti: Sorge: “unheiliges Zeug” (14)
  • Ludovico -> Fernrohr-Kopie
  • Kurator der Uni: nicht mehr Geld, aber Freiheit der Forschung
  • Deutlich werden
  • der Gegensatz zwischen wissenschaftlicher Begeisterung
  • und Angst vor der Kirche
  • sowie Galileis Geldprobleme

Szene 2: Galilei "verkauft" der Stadtregierung von Venedig ein angeblich von ihm erfundenes Fernrohr

  • Galilei steht vor dem Hohen Rat in Venedig, seinem Arbeitgeber, und verweist auf seine Leistungen für Venedig.
  • Anschließend tritt der Kurator der Universität vor und stellt das angeblich von Galilei erfundene Fernrohr vor und preist seinen Nutzen für die Kriegsschiffe der Venezianer.
  • Gegenüber Ludovico, der die Wahrheit um das Fernglas kennt, verweist Galilei darauf, er habe das aus Holland mitgebrachte Fernglas "verbessert" (27).
  • Begeistert von dem angeblich einzigartigen Fernglas bekommt Galilei die gewünschte Gehaltserhöhung.
  • Am Ende tauschen sich Ludovico, Galilei und dessen Tochter noch einmal kurz über den Fernglas-Betrug aus und der junge Mann stellt leicht ironisch fest: "... ich glaube, ich fange an, etwas von Wissenschaft zu verstehen."

Szene 3: Galileis Entdeckungen mit Hilfe des Fernglases und der Umgang damit

  • Thema: Welche neuen Entdeckungen am Himmel ergeben sich für Galilei mit Hilfe des Fernrohrs
  • Galilei zeigt seinem Freund Sagredo am Fernrohr, dass die Spitzen der Mondberge von der Sonne zunehmend angestrahlt werden, sich dort also Bewegung ist.
  • Außerdem wird deutlich, dass der Mond selbst nicht leuchtet, also vom Licht her in der selben Situation ist wie die Erde.
  • Noch wichtiger ist die Entdeckung von Monden, die Jupiter umkreisen. Also kann der große Planet nicht am Himmel befestigt sein.
  • Wichtige Zitate:
    Was Galilei entdeckt hat und beschreibt, „
    widerspricht aller Astronomie von zwei Jahrtausenden“ (29)
  • Die Leichtfertigkeit, mit der Galilei damit umgeht, zeigt seine Feststellung: „Die Menschheit trägt in ihr Journal ein: Himmel abgeschafft.“(30)
    ---
  • Thema: Was geschieht, als der Kurator Galileis Fernrohr-Betrug entdeckt?
  • Der Kurator ist erzürnt, weil sich herausgestellt hat, dass Galileis Fernrohr nicht einzigartig ist, sondern überall für wenig Geld zu haben ist.
  • Galilei gibt seinen Trick zu, verweist aber noch einmal darauf, dass er das Fernrohr aus Holland verbessert hat.
  • Außerdem versucht er mit Hinweis auf neue Sternkarten doch noch einen Nutzen für die Schiffahrt herauszustellen.
  • Deutlich wird aber, dass dieser Nutzen für Galilei nicht so wichtig ist wie neue wissenschaftliche Erkenntniss.
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  • Thema: Welche Folgen haben Galileis Entdeckungen für das kirchliche Weltbild
  • Sagredo ist fassungslos und hält es für gefährlich, dass Galilei jetzt den Leuten einen Himmel präsentiert, in dem für Gott kein Platz mehr ist.
  • Zugleich ist mit der Erde auch für Gott kein Platz mehr in der Mitte des Weltalls.
  • Galilei verweist auf Giordano Bruno, der im Inneren des Menschen den Platz für Gott gesehen hat, also in seinen Vorstellungen.
  • Sagredo verweist darauf, dass dieser Philosoph dafür auch vor etwa 10 Jahren in Rom auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden ist.
  • Galilei glaubt aber, dass die Beweise, die er jetzt liefern kann, eine andere Situation schaffen und sogar die Kirche überzeugen können.
  • Zitat: Was Giordano Brunos Thesen über die Gestirne angeht: „er hat sie nicht gesehen, er hat sie erwartet.“ (33)
  • Zitat: Wie locker Galilei auch mit dem Phänomen der den Jupiter umkreisenden Monde angeht, zeigt sich auf Seite 34:
    "
    Da ist keine Stütze im Himmel, da ist kein Halt im Weltall" (34) Das passt später zu den Sorgen des kleinen Mönchs in Szene 8 im Hinblick auf einfache Menschen wie seine Eltern.
  • Zitat: Was die Frage nach dem Platz Gottes in diesem Weltbild angeht, erklärt Galilei: Er ist "in uns oder nirgends." (35)
    Das kann man auf zwei verschiedene Weisen verstehen:
  • Gott ist wirklich in den Menschen als Realität. Dann ist die Frage, wo Gott bleibt, wenn alle Menschen einmal nicht mehr da sein sollten.
  • Oder nur als selbstgemachte Vorstellung.
  • Zitate:
  • Zitat: Hochinteressant ist Galileis Auffassung vom Menschen und seinem Umgang mit der Realität:
    "
    Ich glaube an den Menschen, und d.h., ich glaube an seine Vernunft! Ohne diesen Glauben würde ich nicht die Kraft haben, am Morgen aus meinem Bett aufzustehen." (36)
  • Sagredo daraufhin mit Hinweis auf seine Lebenserfahrung: Galilei verwechsele "erbärmliche Schlauheit mit Vernunft" (36)
  • Zitat: Galilei glaubt an die "sanfte Gewalt der Vernunft über die Menschen. [...] die Verführung, die von einem Beweis ausgeht, ist zu groß." (36)
  • Sehr diskussionswürdig ist seine Feststellung: "Das Denken gehört zu den größten Vergnügen und der menschlichen Rasse." (37)
    ---
  • Thema: Kann man mit diesen neuen Erkenntnissen die Sicherheit der Republik Venedig verlassen und nach Florenz gehen?
  • Galilei möchte nach Florenz gehen, weil er sich dort ein höheres Gehalt und damit auch Ruhe für weitere Forschungen erhofft.
  • Sagredo verweist darauf, dass Florenz viel stärker mit der katholischen Kirche und ihrer Macht verbunden ist als Venedig.
  • Doch Galilei bleibt bei seinem Entschluss und freut sich für seine Tochter Cornelia auf ein schöneres Leben in Florenz.
  • Wie düster Sagredo Galileis Zukunft sieht, wenn er das einigermaßen sichere Venedig verlässt, wird auf S. 40/41 deutlich:
  • "Galilei, ich sehe dich auf einer furchtbaren Straße. Das ist eine Nacht des Unglücks, wo der Mensch die Wahrheit sieht. Und eine Stunde der Verblendung, wo er an die Vernunft des Menschengeschlechts glaubt.
  • Von wem sagt man, dass er sehenden Auges geht? Von dem, der ins Verderben geht.
  • Wie könnten die Mächtigen einen frei herumlaufen lassen, der die Wahrheit weiß, und sei es eine über die entferntesten Gestirne."
  • "Wie kannst du aus der Republik gehen wollen, die Wahrheit in der Tasche, in die Falle der Fürsten und Mönche mit deinem Rohr in der Hand.
  • So misstrauisch in deiner Wissenschaft, bist du leichtgläubig wie ein Kind in allem, was dir ihr Betreiben zu erleichtern scheint.
  • Du glaubst nicht an den Aristoteles, aber an den Großherzog von Florenz.
  • Als ich dich vorhin am Rohr sah und du sahst diese neuen Sterne, da war es mir, als sehe ich dich auf brennenden Scheiten stehen.
  • Und als du sagtest, du glaubst an die Beweise, roch ich verbranntes Fleisch.
  • Ich liebe die Wissenschaft, aber mehr dich, meinen Freund. Geh nicht nach Florenz, Galilei."
  • Galilei dazu nur: "Wenn sie mich nehmen, gehe ich" - und er ist auch bereit, dafür einen sehr unterwürfigen Bittbrief zu schreiben.

Szene 4: Galilei ist von Venedig nach Florenz umgezogen - erste Erfahrungen

  • Monolog von Frau Sarti, in der sie ihr Leben in Florenz beschreibt und davon ausgeht, dass die Präsentation des Fernrohrs zu einer "Blamage" (42) wird, weil Galilei sich nur auf die Wissenschaft konzentriert, statt den skeptischen Professoren erst mal ein gutes Essen servieren zu lassen.
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  • Der Großherzog, der noch sehr jung ist, kommt zu früh, ist mit Andrea in Galileis Arbeitszimmer allein. Es kommt zum Streit, wobei das Modell des ptolemäischen Weltbildes entzwei geht.
    (Im Video heißt es etwa in Minute 7,20ff fälschlicherweise, es sei ein Fernrohr kaputt gegangen).
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  • Dann begrüßt Galilei die Besucher und geht gleich auf das zentrale Problem ein:
    Die Astronomen seiten "seit einiger Zeit mit unseren Berechnungen in große Schwierigkeiten gekommen. Wir benützen dafür ein sehr altes System, das sich in über Einstimmung mit der Philosophie, aber leider nicht mit den Fakten zu befinden scheint." (46)
  • Statt sich damit genauer zu beschäftigen, schlägt der Philosoph vor: "...bevor wir Ihr berühmtes Rohr applizieren [verwenden], möchten wir um das Vergnügen eines Disputs bitten. Thema: Können solche Planeten existieren?" (47)
  • Galilei darauf etwas genervt:
    "Ich dachte mir, Sie schauen einfach durch das Fernrohr und überzeugen sich?" (47)
  • Am Ende wird der Gegensatz zwischen alter Wissenschaft und neuer, empirischer Wissenschaft ganz deutlich.
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  • Im selben Stil geht es dann noch mehrfach weiter, es läuft immer auf den gleichen Konflikt hinaus.
  • Dann geht es um das Problem, dass das, was Galilei sieht, bei den Jupitermonden, nicht zu der Vorstellung von den festen Sphären passt. Die würden nämlich als feste Kristallschalen durchstoßen, wenn Monde sich um einen Planeten bewegen, der fest angebracht ist.
  • Als Galilei immer wieder vorgehalten wird, er würde gegen bewährte wissenschaftliche Meinungen anreden, erklärt er: "Die Wahrheit ist das Kind der Zeit, nicht der Autorität." (51)
  • Am Ende wird beschlossen, "die Meinung unseres größten lebenden Astronom einzuholen, des Herrn Pater Christopher Clavius, Hauptastronom am päpstlichen Kollegium in Rom." (52)

Szene 5: Galilei trotzt sogar der Pest, wie uns die Überschrift der Szene verrät

  1. In dieser Szene geht es um den Ausbruch der Pest in Florenz. Deutlich werden zunächst einmal die Ängste, die diese Pandemie auslöst, und die Schwierigkeiten bei der Versorgung der Menschen.
  2. Wenn man sich fragt, was diese Szene soll, wird man von Brecht nicht im Stich gelassen. Ganz schülerfreundlich fasst er Inhalt und Aussage in der Szenen-Überschrift zusammen:
    "
    Uneingeschüchtert auch durch die Pest setzt Galilei seine Forschungen fort."
  3. Sein junger Mitarbeiter Andrea ist zwar erst mal geflohen, kehrt dann aber zurück und lässt sich von Galilei in seine Venus-Forschungen einbeziehen und ablenken vom Krankheitsgeschehen.
  4. Interessant ist, dass Galilei vor allem daran interessiert ist, eine bestimmte Karte aus der Bibliothek zu bekommen, die er für seine Forschungen und Berechnungen braucht. Bezeichnend für seine Haltung ist die Reaktion eines Mannes, der Versorgungsgüter hochreicht und von Galilei gebeten wird, ihm ein "Büchlein" zu besorgen: "Als ob es jetzt auf ein Buch ankäme. Sei froh, wenn du Brot bekommst."
  5. Am Ende erklärt Galilei gegenüber Andrea: "Ich habe jetzt alle Beweise zusammen. Weißt du, wenn das hier vorüber ist, gehe ich nach Rom und zeige es ihnen."

Szene 6: Widerstände gegen Galileis Lehre - und ihre überraschende Anerkennung durch den Chef-Astronomen Clavius

  • Während der berühmte Astrologen Clavius die Forschungsergebnisse Galileis überprüft, machen sich die anwesenden Geistlichen lustig über die Vorstellung, sie könnten bei einer Drehung der Erde den Halt verlieren.
  • Deutlich für deine kritische Grundhaltung gegenüber den neuen Erkenntnissen, ein Mönch fragt sich
    "was ist besser, eine Mondfinsternis drei Tage später als im Kalender steht zu erleben oder die ewige Seligkeit niemals?"
  • Und ein anderer Mönch prophezeit:
    "Wir werden den Tag erleben, wo sie sagen: Es gibt auch nicht Mensch und Tier, der Mensch selber ist ein Tier, es gibt nur Tiere."
  • Ein alter Kardinal wird sogar sehr deutlich:
    "Dieser Herr Galilei versetzt den Menschen aus dem Mittelpunkt des Weltalls irgendwo hin an den Rand. Er ist folglich deutlich ein Feind des Menschengeschlechts!"
    In dem Zusammenhang wird dann auch an Giordano Bruno erinnert, "den wir seinerzeit verbrannt haben."
  • Gegenüber Galilei macht der Kardinal dann sein ganz persönliches Interesse an der Beibehaltung der alten Vorstellungen deutlich:
    "Ich bin nicht irgendein Wesen auf irgendeinem Gestirnchen, das für kurze Zeit irgendwo kreist. Ich gehe auf einer festen Erde, in sicherem Schritt, sie ruht, sie ist der Mittelpunkt des Alls, ich bin im Mittelpunkt, und das Auge des Schöpfers ruhte auf mir und auf mir allein."
  • Dann erscheint der Astronom Clavius und erklärt nur kurz im Hinblick auf das, was Galilei lehrt: "Es stimmt." Was bei den Anwesenden "Totenstille" auslöst.
  • Clavius sieht das relativ locker, bevor er weggegangen ist, hat er nur erklärt: "Jetzt können die Theologen sehen, wie sie die Himmelskreise wieder einrenken! Sie haben gesiegt."
  • Die Szene schließt mit der Ankunft des Kardinals Inquisitor, der sich jetzt auch das Fernrohr ansehen will.

Szene 7: Rückschlag für Galilei - er darf zwar forschen, aber die kirchliche Lehre ist entscheidend

  • Galilei besucht mit seiner Tochter in Rom im Palast des Kardinals Bellarmin einen Maskenball.
  • Dort kommt es zu einem Gespräch zwischen diesem Kardinal und einem anderen, bei der Gegensätze deutlich werden:
  • Galilei: "Ich glaube an die Vernunft."
  • Kardinal Barberini: "Ich halte diese Vernunft für unzulänglich."
  • Außerdem verweist Bellarmin auf eine aus seiner Sicht wichtige Leistung der Kirche:
  • "Bedenken Sie einen Augenblick, was es die Kirchenväter und so viele nach ihnen für Mühe und Nachdenken gekostet hat, in eine solche Welt (ist sie etwa nicht abscheulich? etwas Sinn zu bringen."
  • Schließlich kommen die Kardinäle zur Sache und Bellarmin teilt Galilei mit:
  • "Das heilige Officium hat heute Nacht beschlossen, dass die Lehre des Kopernikus, nach der die Sonne Zentrum der Welt und unbeweglich, die Erde aber nicht Zentrum der Welt und beweglich ist, töricht, absurd und ketzerisch im Glauben ist."
  • Galilei wird aufgefordert, "diese Meinung aufzugeben".
  • Was die vorherige Zustimmung des höchsten kirchlichen Astronomen zu Galileis Lehre angeht, erklärt Bellarmin kühl:
  • "Die heilige Kongregation hat ihren Beschluss gefasst, ohne diese Einzelheiten zur Kenntnis zu nehmen."
  • Die Wissenschaft wird als "die legitime und höchst geliebte Tochter der Kirche" bezeichnet, aber mehr ist sie eben nicht.
  • Galilei wird deutlich gemacht, indem ein Teilsatz von ihm fortgeführt wird:
  • "dass jede weitere wissenschaftliche Forschung
  • durchaus gesichert ist und das gemäß der Anschauung der Kirche, dass wir nicht wissen können, aber forschen mögen."
  • Am Ende der Szene trifft Galileis Tochter auf den Großinquisitor, also den Mann, der die größte Macht gegenüber Ketzern hat.
  • Der macht sich auf der einen Seite etwas lustig über die Vorstellung, dass auf den neuerdings angeblich unendlich weiten Strecken des Universums auch Kardinäle oder sogar der Papst verloren gehen könnten.
  • Andererseits äußert er untergründig Warnungen, die deutlich machen, dass Galilei jetzt vorsichtig sein muss.
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  • Aussage(n) der Szene:
    Insgesamt
  • bringt die Szene einen unerwarteten Rückschlag für Galilei und seine Möglichkeit zu forschen und zu publizieren.
  • Grundsätzliche Unterschiede werden deutlich, was die Einschätzung der Vernunft angeht.
  • Dazu kommt das Problem einer Sinngebung für die Welt, die die Kirchenvertreter sich zuschreiben, während Galilei sie nur in seiner Forschungsarbeit sieht.

Szene 8: Unterschied zwischen den Bedürfnissen der einfachen Leute und denen Galileis und seiner Anhänger?

  • Der kleine Mönch, der Galilei die Entscheidung des Astronomen Clavius zugeflüstert hat, hat das Problem, dass er das Dekret, das er gelesen hat und die Trabanten des Jupiter, die er gesehen hat, nicht in Einklang bringen kann.
  • Daraus ergibt sich für ihn das Problem:
    "Mir ist es gelungen, in die Weisheit des Dekrets einzudringen. Es hat mir die Gefahren aufgedeckt, die eine allzu hemmungslose Forschung für die Menschheit in sich birgt, und ich habe beschlossen, der Astronomie zu entsagen."
  • Als Begründung verweist er auf seine Eltern, die als einfache Bauern arbeiten und die für das Leben das "Gefühl der Stetigkeit und Notwendigkeit" brauchen, das ihnen die Kirche und ihre Lehre gibt.
  • Der Mönch sieht in dem Dekret sogar so etwas wie "edles mütterliches Mitleid, eine große Seelengüte".
  • Galilei erklärte ihm dann, dass hinter dieser Seelengüte auch viel Verschwendung und Krieg stehen und er stellt fest:
    "Ich sehe die göttliche Geduld ihrer Leute, aber wo ist ihr göttlicher Zorn?
    "
  • Am Ende der Szene beschreibt Galilei seinen unglaublichen Forschungsdrang und auch die für ihn bestehende Notwendigkeit, die Ergebnisse weiter zu sagen. Auch wenn er da was feststellen muss: "Es ist ganz und gar ein Laster und führt ins Unglück."
  • Am Ende ist es Galilei gelungen, den kleinen Mönch für seine aktuellen Forschungsergebnisse zu interessieren. Die theologischen Bedenken hat er zurückgestellt, offensichtlich lässt er sich genauso für diese Dinge begeistern wie Galilei.

Szene 9: Die Auflösung der Verlobung und ihr Hintergrund

Thema der Szene:

Im wesentlichen geht es hier um den Konflikt zwischen der alten Welt und ihrer Macht und dem Versuch, eine neue Rationalität in die Wissenschaft und auch ins Leben zu bringen. Gezeigt wird das vor allem an neu erwachten Begeisterung für seine Forschungen bei Galilei und seinen Mitstreitern und dem Rückzug des Gutsbesitzers Ludovico aus der Verlobung mit Galileis Tochter.

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Übrigens ein schönes Beispiel, dass "Bild" bei Brecht doch mehr heißt als "Szene", denn eigentlich müsste jim traditionellen Sinne immer eine neue Szene beginnen, wenn eine der Figuren (Mucius, Gaffone, Ludovico) dazukommt oder abtritt. "Bild" dürfte wohl eher für eine Entwicklungsstation stehen - so wie eine neue Folie in einer Präsentation durchaus mehrere Punkte enthalten kann, die aber etwas Gemeinsames "abbilden".

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  • Galilei hat nach der Entscheidung der Kirche gegen seine Lehre acht Jahre lang geschwiegen und sieht jetzt angesichts der voraussichtlichen Thronbesteigung eines neuen Papstes, der selbst Wissenschaftler gewesen ist, neue Chancen für sich und seine Forschungen.     
  • Die Szene beginnt mit einem Gespräch zwischen Frau Sarti und Virginia, in der es um die Vorbereitungen der Hochzeit mit Ludovicoi geht.
  • Dann kommt ein früherer Schüler des Galilei, Filippo Mucius, der sich entschuldigen will dafür, dass er die Auffassungen seines früheren Lehrers im Sinne der Kirche kritisiert hat. Galilei wirft ihn mehr oder weniger hinaus.
  • „Wer die Wahrheit nicht weiß, der ist bloß ein Dummkopf. Aber wer sie weiß und sie eine Lüge nennt, der ist ein Verbrecher!“    
  • Dann geht es wieder um Frau Sarti, die Virginia empfiehlt, sich für ihre Eheschließung ein Horoskop stellen zu lassen, was diese aber schon getan hat. Dies soll wohl als Kontrast präsentiert werden gegenüber den rationalen Auffassungen Galileis.
  • Als nächstes erscheint der Rektor der Universität, ein Herr Gaffone, der im Gegensatz zu dem anderen Mann die allgemeine Hochachtung gegenüber Galilei ausdrückt und ihm ein Buch über die aktuell diskutierten Sonnenflecken mitbringt.
  • Während Andrea dazu schon eigene Forschungen angestellt hat, verhält Galilei sich zunächst noch zurückhaltend, was erneute astronomische Forschungen angeht.
  • Stattdessen zeigt er Andrea im Hinblick auf die aktuellen Experimente, dass Aristoteles unrecht hat, was die Bedingungen des schwimmenseines Körpers im Wasser angeht.·     
  • Er ermahnt aber sich selbst und seine Mitarbeiter:
    „Eine Hauptursache der Armut in den Wissenschaften ist meist eingebildeter Reichtum. Es ist nicht ihr Ziel, der unendlichen Weisheit eine Tür zu öffnen, sondern eine Grenze zu setzen dem unendlichen Irrtum.“
  • Etwas später führt er dann auf schon fast extreme Weise aus, dass der ständige Zweifel eine Voraussetzung ist für gute wissenschaftliche Erkenntnisse.     
  • Dann kommt Ludovico, der Verlobte von Galileis Tochter. Der wird schon sehr zurückhaltend von ihrem Vater empfangen, verweist dann mit Nachdruck auf die Bedürfnisse seiner Gutsbesitzer-Familie. Die möchte nicht, dass die Lehren der Kirchen und die damit verbundene Unterwürfigkeit der Bauern infragegestellt wird.
  • Als Galilei seinen Mitarbeitern nicht widerspricht, die sagen:
    „Wir beginnen wieder mit dem Erde-um-die-Sonne-Zirkus“
    und Frau Sarti das deutlich „Teufelszeug“ nennt, verschwindet Ludovico, ohne sich von Virginia zu verabschieden, was diese zusammenbrechen lässt.

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Die Szene zeigt:

  1. Das Nebeneinander der alten Welt, die von Frau Sarti und Galileis Tochter repräsentiert wird, verdeutlicht an der Nutzung eines Horoskops. Die Realität erweist die damit verbundene positive Prognose dann als Irrtum – ein Sieg für die Welt der Rationalität.
  2. Die hohe Stellung, die Galilei aktuell in der Öffentlichkeit hat.
  3. Seine Bereitschaft, die lange geübte Vorsicht aufzugeben und wieder mit dem „Erde-um-die-Sonne-Zirkus“ zu beginnen. In diesem Zusammenhang formuliert Andrea schon den später berühmt gewordenen Satz: „Und sie bewegt sich doch.“ Das soll wohl zeigen, dass es Galilei gelungen ist, seine Erkenntnisse auch an Jüngere weiterzugeben.
  • Besonders deutlich wird der Grundgedanke der Forschung, die auf dem maximal möglichen und nötigen Zweifel beruht.

Szene 10: Galileis Lehre erreicht die einfachen Leute und könnte deren Denken und Handeln ändern

  • Galileis Lehre verbreitet sich in den nächsten 10 Jahren immer mehr - und zwar auch unter den einfachen Leuten.
  • In dieser Szene gibt es ein Beispiel aus der Fastnacht 1632.
  • Ein Schaustellerpaar tritt auf und singt eine Art Bänkellied,
  • in dem die Umdrehung des Verhältnisses von Erde und Sonne
  • auf die Gesellschaft übertragen wird.
  • An vielen Beispielen wird gezeigt, wie die, die unten standen, jetzt plötzlich oben stehen oder sich zumindest so verhalten.
  • All das wird Galilei zugeschrieben: "Schmiß die Bibel weg, zückte sein Fernrohr [...] Und sprach zur Sonn: "Bleib stehn" die Schöpfung soll "Mal andersrum sic h drehn. Jetzt soll sich mal die Herrn, he! Um ihre Dienstmagd drehn." (98)
  • Am Ende gibt es noch eine Prozession, bei der der Großherzog auf einem lächerlichen Thron gezeigt wird, die Puppe eines Kardinals in die Luft geworfen wird und vor der Figur des Galilei "eine riesige Bibel, aufgeschlagen, mit ausgekreuzten Seiten" getragen wird.
  • Galilei wird vorgestellt als der "Bibelzertrümmerer". (101)
  • Und das Schlimmste, am Ende: "Großes Gelächter der Menge".
  • All das ist für die Herrschenden natürlich eine große Gefahr, genau wie Ludovico es vorausgesehen hat, was zur Trennung von der Familie Galileis geführt hat.

Szene 11: Galilei kommt in Gefahr und muss schließlich zur Inquisition nach Rom

  • Am Anfang des Szene ist von Bedeutung, dass der Großherzog Galilei warten lässt und der Rektor der Universität ihn überhaupt nicht mehr grüßt.
  • Dann kommt ein Vertreter der Wirtschaft vorbei und hebt hervor, wie sehr sie von den neuen Ideen Galileis profitiert. Auch meint er, dass Galilei in Venedig besser aufgehoben wäre, und bietet ihm sogar seine Reisekutsche an. Galilei vertraut aber auf sein erworbenes Ansehen. Man hat überhaupt den Eindruck, dass er in politischen Dingen manchmal etwas naiv ist.
  • Virginia macht deutlich, dass man ihrem Vater wohl die Ereignisse bei der Fastnacht vorwirft, obwohl er sich offiziell dagegen ausgesprochen hat.·     
  • Schließlich sehen sie den Kardinal Inquisitor, Galilei bildet sich ein, er sei von ihm „nicht ohne Respekt“ betrachtet worden (106) in dem Zusammenhang betont er noch einmal Zitat: „Sie haben mich so hoch gelobt, dass sie mich jetzt nehmen müssen, wie ich bin.“ (106)
  • Dann erscheint der Großherzog, Galilei will ihm das gewünschte Buch überreichen, aber ihm wird nur gesagt, er solle auf seine Augen aufpassen, deren Zustand zeige, „dass Sie ihr vortreffliches Rohr vielleicht ein wenig zu eifrig benutzen“ (106) Ganz offensichtlich steht der Großherzog noch ganz unter dem Eindruck des Kardinal Inquisitors, der in Glaubensfragen in Rom eine Schlüsselstellung hat. Den aktuellen Stand von Galileis Schicksal teilt der Großherzog ihm leicht verschlüsselt (in diplomatischer Form) mit, was aber nichts an ihrem Ernst ändert, wie der Schluss der Szene zeigt.
  • Jetzt wird es Galileo wohl doch ein bisschen mulmig und er erzählt seiner Tochter, dass er eine Fluchtmöglichkeit vorbereitet hat. In dem Moment erscheint aber ein hoher Beamter, der ihn auffordert, in den Wagen der Inquisition zu steigen, da „der florentinische Hof nicht länger im Stande ist, dem Wunsch der heiligen Inquisition, sie in Rom zu verhören, Widerstand entgegen zu setzen.“
  • Hier wird der Unterschied zwischen dem recht romtreuen Florenz und der größeren Selbstständigkeit Venedigs (wozu auch Padua gehört).
  • Damit ist Galilei das Schlimmste passiert, was in der Situation möglich ist. Er hat keinen Schutz mehr und muss in den Bereich der absoluten Macht der Kirche.

Szene 12: Der neue Papst erreicht, dass Galilei nur die Folter-"Instrumente" gezeigt werden.

Erklärung des Schaubildes:

  1. Es zeigt die Entwicklung des Konflikts zwischen Wissenschaft und Kirche in Szene 12.
  2. Ausgangspunkt ist die klare Haltung des neuen Papstes zugunsten der Wissenschaftsfreiheit und damit Galileis.
  3. Der Inquisitor bringt aber viele Argumente:
  4. zum einen die mögliche Enttäuschung der kindlich Glaubenden, wenn plötzlich das Oberhaupt der Kirche der Bibel die absolute Wahrheit abspricht
  5. dann die allgemeine Unruhe und die Gefahren, die durch das Prinzip des Zweifels entstehen.
  6. Er verweist auf die allgemeine Bedrohungslage der Kirche durch Krieg, Pest und Reformation.
  7. Daneben erinnert er den Papst auch an die Kunstsammel-Interessen seiner Familie, die gefährdet sein könnten, wenn sich im Volk ein anderes Denken durchsetzt.
  8. Überhaupt die Umkehrung der Machtverhältnisse bei diesem Prozess.
  9. Konkret werden auch die sog. Kollekten angesprochen, die kirchlichen Geldsammel-Aktionen.
  10. Der Papst
  11. verweist auf die Interessen der Seestädte: Man könne nicht neue Seekarten nutzen und gleichzeitig deren astronomischen Hintergrund verbieten.
  12. Darüber hinaus habe Galilei viele Unterstützer.
  13. Den Ausschlag gibt die Empörung des Papstes, als der Inquisitor ihm erzählt, wie Galilei in einem neuen Buch zwar die Vorgaben des Papstes formal eingehalten habe, aber in Wirklichkeit die Kirche und ihre Position lächerlich gemacht habe.
  14. Am Ende erlaubt der Papst Maßnahmen gegen Galilei, die aber über das "Zeigen" der Folterinstrumente nicht hinausgehen sollen, also nur Drohung, nicht Anwendung.
  15. Der Inquisitor sieht sich als Sieger, weil er Galilei kein Durchhaltevermögen zutraut, außerdem erklärt er zynisch, der Wissenschaftlicher kenne ja die Instrumente, wenn auch ganz andere wie das Fernrohr.
  • Zum ersten Mal kommt in dem Theaterstück die höchste kirchliche Entscheidungsgewalt auf die Bühne.
  • Auf der einen Seite der neue Papst, der selbst Mathematiker ist und damit den Wissenschaften eher aufgeschlossen gegenübersteht.
  • Auf der anderen Seite der Kanal Inquisitor, der mit unerbittlicher Deutlichkeit auf die Verantwortung des Papstes für die Kirche und die Gläubigen hinweist.
  • Sehr gut ist der Kontrast zwischen denen,
  • „welche alle in kindlichem Glauben an das Wort Gottes, niedergelegt in der Schrift, gekommen sind, Eurer Heiligkeit Bestätigung ihres Glaubens zu vernehmen“
  • Und nun mitgeteilt bekommen könnten, „daß die Schrift nicht länger für wahr gelten könne“.
    ---
  • Der Großinquisitor sieht eine „entsetzliche Unruhe“, die er allerdings nur in den Köpfen Galileis und seiner Anhänger sieht:
    „Diese Menschen zweifeln an allem. Sollen wir die menschliche Gesellschaft auf den Zweifel begründen und nicht mehr auf den Glauben?“
  • Recht geschickt bezieht der Inquisitor die Kritik an der kostspieligen Kunst-Liebhaberei der Barberinis und damit auch des Papstes mit ein. Letztlich macht er ihm deutlich, dass bei einem Umsturz der Verhältnisse auch so etwas gefährdet sein könnte. Er appelliert also an die ganz persönlichen Interessen des Papstes.
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  • Anschließend entwirft der Inquisitor ein großflächiges Bild der Bedrohungslage der Christenheit, wozu er vor allem Krieg, Pest und Reformation zählt. Dann beschimpft er die Gefährder seines Glaubens im eigenen Land als „Würmer von Mathematikern“, die jetzt auch noch das Vertrauen der Gläubigen in den Papst zerstören.
  • Dann der Hinweis auf das „böse Beispiel dieses Florentines“ und dann kommt genau das, was die Mächtigen befürchten: Wenn die Erkenntnisse sich umdrehen, könnten sich auch die Verhältnisse die Machtverhältnisse umdrehen.
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  • In der Beschreibung der Menschen wird über deutlich, wie wenig der Großinquisitor dem eigenen Verstand der Menschen zutraut.
  • Anregung: Hier könnte man gut die Frage diskutieren ob nicht daran auch etwas ist. Man stellt ja immer wieder fest, dass eine Masse von Menschen und nichts anderes ist die Summe von Individuen, ein ganz eigenes Meinungsklima und Verhalten entwickelt und wie sehr die einzelnen Menschen sich gerne der Mehrheit oder einer Autorität anschließen. Das ist gewissermaßen eine Infragestellung von Schwarmintelligenz.
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  • Wie geschickt der Inquisitor vorgeht, wird deutlich, wenn er den Zweifel mit den Kollekten in den Kirchen verbindet, die in Gefahr geraten könnten.
  • Ziemlich lächerlich ist dann allerdings die Infragestellung des Kompasses, der anscheinend bei diesem Großinquisitor durch Gottvertrauen ersetzt werden soll. Dann soll er mal übers Meer fahren.
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  • Interessant und wichtig die Kritik daran, dass Galilei seine Erkenntnisse nicht mehr in Latein verbreitet, sondern sie auch dem einfachen Volk zur Verfügung stellt. Damit fällt für die Kirche eine bewusst gewählte Verständnis-Schranke, die die Kirche über die Priester gerne unter ihrer Kontrolle halten möchte.
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  • Dann geht es um die Interessen der Seestädte, was die Navigation angeht. Und hier erkennt der Papst ganz klar,
    „Man kann nicht die Lehre verdammen und die Sternkarten nehmen."
  • Die Diskussion spitzt sich zu, als der Papst auf die vielen Leute verweist, die hinter Galilei stehen. Dabei wird er sogar vom Inquisitor unterbrochen. Er deutet aber einen Ausweg an und zwar den, der später auch gewählt wird: Man wird bei ihm nicht weit gehen müssen, denn er ist ein „Mann des Fleisches“ (110). Damit meint er natürlich die Androhung der Folter. Und so ist es dann ja auch gekommen.
  • Der Papst verteidigt Galilei noch mal mit Hinweis auf eine Absprache im Hinblick auf ein Buch, die seiner Meinung nach Galilei eingehalten hat. Der Inquisitor weist danach, dass Galilei das auf eine Art und Weise gemacht hat, die die Haltung der Kirche am Ende noch einmal lächerlich macht. Das hält dann auch der Papst für eine „Unverschämtheit“. (110)
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  • Eine Randfrage könnte sein, warum immer wieder auf das Getrampel vor der Tür des Papstzimmers verwiesen wird, das den Papst ganz offensichtlich nervös macht. Wahrscheinlich steht es für die Unruhe, die im Volk entstanden ist und gegen die man nach Meinung des Inquisitors vorgehen sollte. Das ist aber natürlich nur eine Hypothese. Die dann anschließend aber gleich vom Inquisitor richtiggestellt wird: Es kommt nicht die ganze Welt, aber ihr „bester Teil“ (110).
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  • Am Ende einigen sich beide darauf, dass Galilei die Instrumente gezeigt werden dürfen, also die Folterinstrumente. Und der Inquisitor reagiert darauf mit einem zynischen Scherz: Das würde reichen, denn Galileo verstehe sich ja auf Instrumente, womit natürlich ganz andere gemeint sind, zum Beispiel so ein Fernrohr.
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  • Letztlich hat sich am Ende weitgehend der Vertreter des alten Kirchenglaubens durchgesetzt. Was allerdings offen bleibt, ist, ob das denn funktionieren kann. Denn zurecht hatte der Papst ja drauf hingewiesen, dass man schlecht diese Karten verwenden kann, ohne die dahinter stehende Theorie auch mit einzubeziehen. Das gilt zumindest für den astronomischen Hintergrund. Letztlich kann der Leser wohl davon ausgehen, dass es sich hier für die Kirche nur um einen Aufschub handelt, der allenfalls nur durch eine Art Friedhofsruhe in der Welt auf Dauer aufrecht erhalten werden könnte.

Szene 13: Galileis Schüler erwarten seine Standhaftigkeit gegenüber der Inquisition und sind entsetzt, als er widerruft

  • Die Schüler Galileis diskutieren zunächst seine Situation, nachdem der wissenschaftsfreundliche neue Papst ihn nicht mehr empfangen hat.
  • Sie reden sich immer mehr ein, dass Galilei standhaft bleibt - allerdings wollen sie nicht zu Ende denken, was das für ihn bedeuten könnte.
  • Nur Virginia betet, dass ihr Vater widerruft und dann weiterleben kann.
  • Es wird dann angekündigt, dass Galilei bald kommen werde: "Er mag ein Bett benötigen."
  • Als dann der Widerruf verkündet wird, sind die Schüler Galileis ganz entsetzt - und Andrea bringt es so auf den Punkt: "Unglücklich das Land, das keine Helden hat."
  • Als Galilei dann erscheint, "völlig, beinahe bis zur Unkenntlichkeit verändert durch den Prozeß", wird er nicht einmal gegrüßt, sondern von Andrea sogar beschimpft.
  • Dabei wird ihm so schlecht, dass es Galilei ist, der ruhig sagt: "Gebt ihm ein Glas Wasser." Das ist natürlich eine völlige Verkehrung der Situation ("Bett", s.o.).
  • Schließlich kommt Galileis Antwort: "Nein. Unglücklich das Land, das Helden nötig hat."
  • Die Szene schließt - typisch für das epische Theater - mit einer "Vorlesung vor dem Vorhang". In ihr wird deutlich gemacht, dass große Tiere viel gefährdeter sind als kleine Tiere, wenn sie aus einer gewissen Höhe herunterfallen. Am Ende dann der allgemeine Satz: "Die gemeine Annahme, daß große und kleine Maschinen gleich ausdauernt seien, ist offenbar irrig."
  • Damit soll Galileis Verhalten gerechtfertig werden, der auf das Überleben und damit auch auf eine neue Chance für missliebige Erkenntnisse setzt.
  • Denn wenn er tapfer geblieben und hingerichtet worden wäre, dann wären die Discorsi nicht zu Ende geschrieben worden.
  • Anregung: Galileis Verhalten kann man gut mit dem Verhalten von Herrn Keuner in der Parabel "Maßnahmen gegen die Gewalt" vergleichen.

Szene 14: Galilei als "Gefangener der Kirche" - und im Gespräch mit seinem ehemaligen Schüler Andrea

  •  Im 14. Kapitel wird Galilei als "Gefangener der Kirche" gezeigt.
  • Im ersten Teil der Szene geht es um verschiedene Aspekte seiner Situation: Er beschäftigt sich immer noch mit Experimenten, allerdings unter Aufsicht der Kirche. Virginia macht deutlich: "Er tut nichts gegen die Vorschriften. Seine Reue ist echt. Ich passe auf ihn auf."
  • Gegenüber dem Erzbischof, der ihm regelmäßig Fragen stellt, verhält Galilei sich scheinbar an seine neue Lage angepasst, gönnt sich aber hin und wieder auch durchaus einen Schuss Ironie.
  • Der wichtigste Teil des Szene beginnt, als sein ehemaliger Schüler Andrea Sarti ihn besucht.
  • Der bleibt zunächst sehr förmlich zurückhaltend. Man hat den Eindruck, dass er Galilei seinen Widerruf immer noch nicht verziehen hat.
  • Dann aber präsentiert der Wissenschaftler ihm plötzlich eine Abschrift seiner aktuellen Forschungen, der so genannten "Discorsi". Das löst bei Andrea regelrechte Begeisterung aus: "Sie versteckten die Wahrheit. Vor dem Feind. Auch auf dem Feld der Ethik waren Sie uns um Jahrhunderte voraus. [...] Hätten Sie in einer Gloriole von Feuer auf dem Scheiterhaufen geendet, während die anderen die Sieger geblieben."
  • Galilei ist der deutlich skeptischer: "Sie sind die Sieger. Und es gibt kein wissenschaftliches Werk, das nur ein Mann schreiben kann."
  • Galilei gibt auch ganz offen zu, dass er mit seinem Widerruf keinen Plan verfolgt habe: "Ich habe widerrufen, weil ich den körperlichen Schmerz fürchtete."
  • Ganz deutlich verbindet er seine Forschungen mit Politik:
  • "Unsere neue Kunst des Zweifels entzückte das große Publikum. Es riss uns das Teleskop aus der Hand und richtete es auf seine Peiniger.
  • Diese selbsttischen und gewalttätigen Männer, die sich die Früchte der Wissenschaft gierig zu Nutze gemacht haben, fühlten zugleich das kalte Auge der Wissenschaft auf tausendjähriges, aber künstliches Elend gerichtet, das deutlich beseitigt werden konnte, indem sie beseitigt wurden."
  • Deutlich ist seine Warnung an alle Wissenschaftler:
  • "Ich halte dafür, dass das einzige Ziel der Wissenschaft darin besteht, die Mühseligkeit der menschlichen Existenz zu erleichtern.
  • Wenn Wissenschaftler, eingeschüchtert durch selbstsüchtige Machthaber, sich damit begnügen, Wissen um des Wissens aufzuhäufen, kann die Wissenschaft zum Krüppel gemacht werden,
  • und eure neuen Maschinen mögen nur neue Drangsale bedeuten."
  • Er sieht sogar die Gefahr, dass "irgendeine neue Errungenschaft von einem universalen Entsetzensschrei beantwortet werden könnte."
  • Seinen eigenen Widerruf kritisiert er im Nachhinein:
  • "Ich hatte als Wissenschaftler eine einzigartige Möglichkeit.
  • In meiner Zeit erreichte die Astronomie die Marktplätze.
  • Unter diesen ganz besonderen Umständen hätte die Standhaftigkeit eines Mannes große Erschütterungen hervorrufen können.
  • Hätte ich widerstanden, hätten die Naturwissenschaftler etwas wie den hippokratischen Eid der Ärzte entwickeln können, das Gelöbnis, ihr Wissen einzig zum Wohle der Menschheit anzuwenden!"
    (Anmerkung: Hier gibt es natürlich große Parallelen zu den "Physikern" Dürrenmatts.
  • Vor diesem Hintergrund stellt er fest:
  • "Ich habe meinen Beruf verraten.
  • Ein Mensch, der das tut, was ich getan habe, kann in den Reihen der Wissenschaft nicht geduldet werden."
  • Diese "mörderische Analyse" will Andrea allerdings nicht als "das letzte Wort"gelten lassen.
  • Es widerspricht auch völlig dem, was Galilei bei der Übergabe der Abschrift der "Discorsi" im Hinblick auf seine Hände festgestellt hat:
    "besser befleckt als leer. Klingt realistisch. Klingt nach mir. Neue Wissenschaft, neue Ethik."
  • Am Ende der Szene macht Andrea sich mit der Abschrift der "Discorsi" auf dem Weg über die Grenze.

Szene 15: Andrea Sarti gelingt es, die Abschrift der Discorsi über die Grenze in die freien Niederlande zu bringen

  • Mit einem Trick gelingt es Andrea, seine wissenschaftlichen Schätze problemlos über die Grenze zu bringen. Er liest ganz offen in den Discorsi und schützt sie damit vor jedem Verdacht.
  • Bezeichnend ist, dass gleichzeitig einige Jungen sich über eine angebliche Hexe unterhalten. Dementsprechend gelten die letzten Worte des Dramas einem der Jungen:
  • "Du musst lernen, die Augen aufzumachen. [...] Auf einem Stock kann man nicht durch die Luft fliegen. [...] Wir wissen bei weitem nicht genug, wir stehen wirklich erst am Beginn."


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