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Es gibt viele Möglichkeiten, sich etwas klarzumachen :-)



Wir versuchen es vor allem mit Bildern - aber natürlich auch mit verständlichen Texten.



Modernisierung - Gedicht - Expressionismus - Lars Krüsand - Weltende

Lars Krüsand, "Weltende?" - Expressionismus mal kreativ

Der Expressionismus ist ein wichtiges Thema des Deutschunterrichts - und eigentlich auch eine sehr interessante Epoche. In ihr haben nämlich die Schriftsteller auf ganz eigene Weise das rausgehauen, was an Gefühlen in ihnen war.


Auf dieser Seite geht es nun nicht um so bekannte Schriftsteller wie Georg Heym, Georg Trakl, August Stramm oder auch Else Lasker-Schüler. Es geht um einen, der sich mal getraut hat, sich in diese Zeit zurückzuversetzen und es mal auszuprobieren, im Stil dieser Autoren zu schreiben.


Erfreulicherweise hat er sich uns gegenüber zu einem Interview bereit erklärt, das wir im Folgenden abdrucken.


Interview mit Lars Krüsand

  • Schnell-durchblicken:
    Herr Krüsand - oder doch lieber Lars, denn wir kennen uns ja schon lange und machen auch immer wieder mal was zusammen.
  • Krüsand:
    Ja, ich bin sehr froh, dass es heutzutage diese Möglichkeit gibt, einfach mal etwas schreibend auszuprobieren und dann auch zu veröffentlichen. Wer weiß, was früher alles nur keinen Verlag gefunden hat und deshalb in der Schublade geblieben ist.
  • Schnell-durchblicken:
    Du weißt aber auch, dass uns das hier in deinem Falle immer wieder mal Probleme bereitet.
  • Krüsand:
    Ja, als die erste Frage kam: Wer ist denn dieser Lars Krüsand, er ist ja nirgendwo im Internet zu finden, da mussten wir eine Lösung finden. Glücklicherweise war sie ja ganz einfach: Ich habe ja immer als Deutschlehrer ganz gerne auch mal selbst geschrieben - durchaus auch das, was ich den Schülern als kreative Aufgabe gegeben hatte. Aber das habe ich nur heimlich als angebliches Werk dieses Lars Krüsand in den Unterricht eingebracht. Denn hätten sie gewusst, dass das ihr Lehrer geschrieben hat, hätten sie vielleicht nicht so offen drüber gesprochen.
  • Schnell-durchblicken:
    Also ist Lars Krüsand, um das ein für alle mal zu klären: ein Pseudonym.
  • Krüsand:
    Ja - und deshalb werden wir hier auch nicht verraten, wie ich wirklich heiße, denn dann würde die ganze Tarnung ja auffliegen und hätte ihren Sinn verloren.
  • Schnell-durchblicken:
    Das kann man nachvollziehen. Aber es gibt noch eine zweite Besonderheit: Wenn du privat unterwegs bist und gefragt wirst, was du von Beruf bist, dann magst du ja manchmal nicht zugeben, dass du Lehrer bist.
  • Krüsand:
    Ja, das ist zwar ein wunderbarer Beruf - aber wie bei jedem anderen verbinden sich damit auch Vor-Urteile. Und gegen die möchte ich zumindest im Urlaub nicht ankämpfen müssen. Wenn es dann doch rauskommt, dann stimmt das Vor-Urteil anscheinend auch - damit muss ich dann leben.
  • Schnell-durchblicken:
    Aber was gibst du denn dann als Beruf an?
  • Krüsand:
    Irgendwann bin ich auf den Begriff "Behelfsschriftsteller" gekommen. Dichter geht gar nicht, Schriftsteller ist mir auch ein zu hohes Wort, dafür betreibe ich das nicht ernsthaft genug. Aber da ich meistens etwas geschrieben habe, wenn andere es nicht schon besser gemacht hatten, habe ich mir eben "beholfen" - daher der Begriff.
  • Schnell-durchblicken
    Ist ja eine gute Idee.
  • Krüsand:
    Ja, vor allem soll sie Schülern auch Mut machen. Die ganze Schriftstellerei ist mit einem solchen Nimbus verbunden, dass zu viele abgeschreckt werden. Aber sich behelfen darf jeder ;-)
  • Schnell-durchblicken
    Und jetzt haben wir mal was ausprobiert?
  • Krüsand:
    Ja, ich habe mich mal wieder mit dem Expressionismus beschäftigt, also dieser spannenden Zeit um den Ersten Weltkrieg herum, als die Dichter - so nannten sich sich damals ja noch - richtig was rausgehauen haben. Da kamen wirklich wilde Dinge auf das Papier. Aber das reizte mich nicht so. Ich saß mal auf dem Hometrainer und schaute mir zwei Videos an, in denen jeweils Vorstellungen von einem "Weltende" entwickelt wurden. Und da dachte ich, wie hätte ich das gemacht, wenn ich damals dabei gewesen wäre? Und dann passierte das, was vielen Menschen passiert: Wenn sie eine Idee haben und dazu auch die passende Musik - dann kann das wie von selbst fließen.
  • Schnell-durchblicken
    Wieso Musik?
  • Krüsand:
    Nun, für mich ist der Rhythmus eines Gedichtes das Gleiche wie Musik. Und bei mir ist es meistens so: Wenn ich eine Idee habe und den passenden Rhythmus - meist in der ersten Verszeile - dann geht es eben richtig ab. Natürlich wird unterwegs auch ein bisschen nachgedacht und korrigiert, aber der Flow, so nennt man das ja auch wohl, der muss bleiben.
  • Schnell-durchblicken
    Dann sind wir ja mal gespannt, was da "geflossen ist.

Das Gedicht - als Versuch einer kreativen Rück-Versetzung in die Zeit des Expressionismus

Lars Krüsand


Weltende?


Ich will der letzte sein,

wenn mehr nicht geht.


Ich hätte gerne alle

mitgenommen.

Sie wollten nicht.

Es schien so sicher

In der Macht Gehege

und im Schutz der allzu Vielen

 

So blick ich denn von oben

dem Marsch zum Abgrund zu,

gewinne etwas Zeit.

Mehr ist es sicher nicht.

 

Es bleibt mir das Gespräch

mit denen, die vor uns schon waren

und nicht wussten, dass

all das, was sie geschaffen hatten -

und erkämpft, so schnell dahingehn würde,

so achtlos weggeworfen,

als käm’s von selbst einst wieder.

 

Doch was ist, wenn der Zeiten Strom

nur stets in eine Richtung fließt

und dabei Fakten schafft,

die nicht mehr hintergehbar sind.

 

Muss ich der Letzte sein?

Vielleicht ist doch noch einer da,

der mich begleitet bis

zum Ende aller Tage.

 

Ach nein: der Menschheit nur!

Sie hatte ihre Chance.

Die Schöpfung kennt noch andere Orte,

wo das, was wird,

auch das zu schätzen weiß,

was da geworden ist.



Anmerkungen  des Autors zu seinem Gedicht

Schnell-durchblicken:
Du bist ja der Meinung, dass man als jemand, der einen literarischen Text geschrieben hat, also einen ausgedachten, nicht über seinen Text sprechen muss, das aber wohl darf. Was würdest du uns denn zu diesem Gedicht noch verraten wollen?

Krüsand:
Ich hatte da schon den Zug der Lemminge im Auge, die sich  - zumindest denkt man das - alle geschlossen in den Abgrund stürzen. Und meine Vorstellung war immer: Wenn man sie nicht aufhalten kann, dann sollte man sich zumindest einen Ort etwas oberhalb des Tales suchen, durch das alle stürmen. Und das bezieht sich ja auch im Expressionismus auf einen realen Untergang, von Millionen Menschen und auch einer Kultur, in der Diktatoren wie Hitler und Stalin wohl keine Chance gehabt hätten. In Deutschland, Österreich-Ungarn, Russland war vieles nicht in Ordnung - aber weit entfernt von Massenvernichtung.

Jedenfalls machten 1914 zu viele mit, als die sogenannten Eliten der Meinung waren, jetzt müsste mit Waffengewalt die Entscheidung gesucht werden. Stefan Zweig beschreibt ja auf erschütternde Weise als Europäer, wie da 1914 innerhalb kürzester Zeit Freundschaften kaputt gingen.
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Schnell durchblicken:
Was meinst du mit dem Gespräch, das das lyrische Ich dann weiter oben führen will?

Krüsand:
Nun ich finde, dass jede Generation - wie jemand mal so schön gesagt hat - auf den Schultern ihrer Vorgänger steht. Und wenn eine Generation - wie die von 1914 - kollektiv durchdreht, dann kann man sich an die erinnerin, die es in den Zeiten davor anders und vielleicht sogar besser gemacht haben. Das geht natürlich vor allem über Bücher, diese wunderbaren Vermächtnisse von Menschen.
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Schnell-durchblicken: Du hast mir gesagt, dieses Gedicht wolle einen positiven Akzent setzen:

Krüsand: Ja, auch wenn er mehr ein Appell ist als eine reale Hoffnung. Es gibt ja die Sorge, dass die Geschichte sich nicht nur in eine Richtung entwickeln kann. Bis zum Ersten Weltkrieg gab es ja zumindest für die Europäer fast nur Fortschritt - und dann kam die dunkle Zeit des glücklicherweise nur 12 Jahre andauernden Dritten Reiches mit seinen ungeheuren Verbrechen - und als die Völker Osteuropas sich befreit fühlen wollten, fanden sie sich in einer anderen Art von Diktatur wieder. Es hätte mit diesen Systemen auch weitergehen können - man denke an die Schreckensvision von George Orwell, bei der am Ende alle Menschen unterdrückt werden. Glücklicherweise ist es anders gekommen - aber kann es nicht neue Formen der Unterdrückung geben, die dann durch die heutigen Techniken den Menschen kein Schlupfloch mehr lassen.
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Schnell-durchblicken: Wo bleibt denn nun das Positive?

Krüsand:
Nun ja, es ist ein bisschen versteckt. Indem das Gedicht auf die schreckliche Möglichkeit verweist, dass es am Ende einen Orwell-Zustand der Menschheit geben könnte und nur noch die Hoffnung, dass es im Universum irgendwoanders doch besser weiter geht. Da mahnt es eben auch - und ich hoffe, dass diese Mahnung gehört und verstanden wird. Denn es gibt ja genügend Leute - weit über mich hinaus - die vor der Selbstzerstörung warnen - sei es im Bereich des Klimas, der Atmosphäre, dieses Luftmeeres, das wir alle brauchen - oder auch in erneutem Missbrauch von Macht.
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Schnell-durchblicken: Du hast mir gesagt, es ginge nicht nur um diese Warnung.

Krüsand:
Ja, man darf ja nicht vergessen - der Inhalt beschäftigt sich mit der Gefahr des Weltuntergangs, aber ich möchte ja gerade, dass viel mehr Menschen und vor allem auch Schüler zu "Behelfsschriftstellern" werden, es einfach mal wagen, dieses "Spiel des Schreibens" mal auszuprobieren - sich selbst noch eine andere Welt, nämlich eine der Fantasie, zu schaffen.


Hör-Version des Gedichtes

Die folgende Hör-Version des Gedichtes ist mit Lars Krüsand abgesprochen worden - verständlicherweise wollte er nicht, dass seine Schüler ihn als Autor an der Stimme erkennen können. Wir bitten da um Verständnis.

mp3-Datei herunterladen

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