Wir zeigen hier zunächst, wie man die Textvorlage aus der Szene "Abend" analysiert:
FAUST rings aufschauend.
Willkommen, süßer Dämmerschein,
Der du dies Heiligtum durchwebst!
- Interessante Erfahrung von Atmosphäre, entspricht übrigens auch dem romantischen Prinzip, der Wirklichkeit einen höheren Sinn zu geben. Romantisierung
Ergreif mein Herz, du süße Liebespein,
Die du vom Tau der Hoffnung schmachtend lebst!
- Bereitschaft zur Hingabe auch an den Schmerz, der mit Liebe verbunden ist.
- Deutlich wird hier auch das romantische Gefühl der Sehnsucht.
Wie atmet rings Gefühl der Stille,
Der Ordnung, der Zufriedenheit!
In dieser Armut welche Fülle!
In diesem Kerker welche Seligkeit!
- Noch einmal Rückgriff auf die Atmosphäre, die dann verbunden wird mit der Freude und Ordnung.
- Dazu kommt das sprachlich deutlich hervorgehobene Gefühl für den positiven Kontrast zwischen der scheinbaren äußeren Wirklichkeit und der gefühlten, sehr viel positiven Wirklichkeit.
Er wirft sich auf den ledernen Sessel am Bette.
O nimm mich auf, der du die Vorwelt schon
Bei Freud' und Schmerz im offnen Arm empfangen!
- Die Romantik Sierung erstreckt sich jetzt auf ein besonderes Sitzmöbel, dass mit der Vergangenheit der Familie verbunden wird und mit den sehr unterschiedlichen Gefühlen, die es in der Familiengeschichte gegeben hat.
Wie oft, ach! hat an diesem Väterthron
Schon eine Schar von Kindern rings gehangen!
- Dieser Sessel wird jetzt mit einer patriarchalischen Familiensituation verbunden.
Vielleicht hat, dankbar für den heil'gen Christ,
Mein Liebchen hier, mit vollen Kinderwangen,
Dem Ahnherrn fromm die welke Hand geküßt.
- Der Blick der Fantasie richtet sich jetzt auf die vermutete Kindheit von Gretchen, die hier schon als Liebchen bezeichnet wird. Hervorgehoben wird eine Generationen Harmonie.
Ich fühl', o Mädchen, deinen Geist
Der Füll' und Ordnung um mich säuseln,
Der mütterlich dich täglich unterweist,
Den Teppich auf den Tisch dich reinlich breiten heißt,
Sogar den Sand zu deinen Füßen kräuseln.
O liebe Hand! so göttergleich!
Die Hütte wird durch dich ein Himmelreich.
- Es folgt eine Art Zusammenfassung, formuliert als Anrede. Interessant die Verbindung von Fülle und Ordnung
- Dazu kommt die Vorstellung von einer Art Hausgeist, der hier für das richtige Verhalten sorgt.
- Das ganze landet dann am Ende bei der Hand der geliebten, der noch einmal der große Gegensatz oder hier auch eher Entwicklungssprung von der Hütte zum Himmelreich zugeordnet wird.
Und hier!
Er hebt einen Bettvorhang auf.
- Faust setzt seinen halb manuellen Besichtigungsgang fort und landet jetzt bei einem Ort, der für alle verliebten eine besondere Bedeutung hat und am Ende ja dann Gretchen zum Verhängnis wird.
Was faßt mich für ein Wonnegraus!
Hier möcht' ich volle Stunden säumen.
- Interessant auch hier die Verbindung von ganz gegensätzlichen Gefühlen, nämlich wolle und grausen. Verbunden wiederum mit der Sehnsucht, dort eine lange Zeit verbringen zu können.
Natur! hier bildetest in leichten Träumen
Den eingebornen Engel aus!
Hier lag das Kind, mit warmem Leben
Den zarten Busen angefüllt,
Und hier mit heilig reinem Weben
Entwirkte sich das Götterbild!
- Es folgt etwas, was wie eine Anspielung auf den Zeugungsvorgang wirkt.
- Es folgten die Säuglingszeit
- Am Ende eine interessante Formulierung für den Wachstumsprozess eines Wesens, dass etwas mit Göttern zu tun hat.
Und du! Was hat dich hergeführt?
Wie innig fühl' ich mich gerührt!
Was willst du hier? Was wird das Herz dir schwer?
Armsel'ger Faust! ich kenne dich nicht mehr.
- Im Schlussteil wendet sich Faust an sich selbst zu, fragt nach dem Motiv für sein Erscheinen. Beschreibt noch einmal das starke Gefühl, dass er hier empfindet. Am Ende dann wieder eine Infragestellung des eigenen Daseins an diesem Orte, mit Hinweis auf eine intensive Veränderung.
Umgibt mich hier ein Zauberduft?
Mich drang's, so grade zu genießen,
Und fühle mich in Liebestraum zerfließen!
Sind wir ein Spiel von jedem Druck der Luft?
- Am Ende noch mal ein zusammenfassende Rückblick auf die Ausgangssituation, die ja ganz stark mit Atmosphäre, mit einem Duft verbunden ist.
- Interessant an die nächsten beiden Zeilen, die möglicherweise eine Veränderung von eher Genuss hin zu echte Liebes Erfüllung bedeuten.
- Am Ende dann die Frage, wie sehr der Mensch auch kleinen Veränderungen in seiner Umgebung ausgesetzt ist.
Und träte sie den Augenblick herein,
Wie würdest du für deinen Frevel büßen!
Der große Hans, ach wie so klein!
Läg', hingeschmolzen, ihr zu Füßen.
- Am Ende wendet Faust sich wieder mehr der Realität zu, die ja auch zu einem plötzlichen Erscheinen Gretchens führen könnte.
- Er sieht seinen Eindringen in ihrem Wohnbereich jetzt zumindest ansatzweise als Frevel.
- Am Ende steht das Gefühl eines weg schmelzensvon jeder möglicherweise vorher geglaubten Größe mit dem Ergebnis, dass er vor dir geliebten ganz klein wird und ihr zu Füßen liegt.