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Es gibt viele Möglichkeiten, sich etwas klarzumachen :-)



Wir versuchen es vor allem mit Bildern - aber natürlich auch mit verständlichen Texten.



Lessing, Nathan, kritische Charakteristik

Lessing, "Nathan der Weise" - literarische Charakteristik der Titelfigur

  • Es gibt viele Möglichkeiten, einen literarischen Text zu analysieren.
  • Besonders bei einem Drama ist es natürlich interessant, sich mit den wichtigsten Figuren näher zu beschäftigen.
  • Dafür gibt es den Begriff der "Charakteristik".

Abgrenzung der literarischen Charakteristik von der Personenbeschreibung

  • Es gibt viele Möglichkeiten, einen literarischen Text zu analysieren.
  • Besonders bei einem Drama ist es natürlich interessant, sich mit den wichtigsten Figuren näher zu beschäftigen.
  • Dafür gibt es den Begriff der "Charakteristik".
  • Die ist nicht zu verwechseln mit einer "Personenbeschreibung". Dort geht es um eine reale Person, die man zum Beispiel beschreibt, weil ein anderer sich dafür interessiert. Nach dem Motto: "Auf der Party bei Müllers habe ich einen interessanten Menschen getroffen." - Dann beginnt man entweder mit dem Äußeren oder mit dem Beruf oder etwas Ähnlichem, was in der Situation besonders interessant ist.
  • Wenn die Person gesucht wird, erstellt man einen Steckbrief. Bei dem geht es nur um Äußerlichkeiten, denn da wird ja jemand gesucht.
  • In einem Drama hat man fiktive Figuren, deren Aussehen stark durch die Inszenierung bestimmt ist. Der Nathan in Lessings Drama kann zum Beispiel heute auf der Bühne als Geschäftsmann im Business-Look auftreten. In einer klassischen Inszenierung wird zumindest angedeutet, dass es sich um einen Händler des Mittelalters handelt. Der ist dann auch gekleidet, wie wir uns heute die Menschen der der Zeit der Kreuzzüge, also im Mittelmeer und im Nahen Osten, vorstellen.
  • Wichtiger ist es, herauszuarbeiten, wie die Figur sich dem Zuschauer im Theater im Verlauf des Stückes "entwickelt". Am Anfang ist sie eine Art Paket, das nach und nach die Verpackungsschalen verliert und immer klarer vor uns hintritt.
  • Es ist klar, dass wir hier von einem ersten Sehen des Stückes ausgehen - aber das ist ja die natürliche Situation im Theater - und vor allem auch in der Schule, denn dort trifft das Stück ja nicht auf Leute, die schon mehrere Nathan-Inszenierungen gesehen haben.
  • Auf jeden Fall sollte man möglichst in der Reihenfolge des Stückes bleiben.
  • Wir versuchen das im Folgenden mal und zeigen zugleich, welche Interpretationssignale von den einzelnen "Entpackungs-Situationen" ausgehen.
  • Vielleicht noch eine letzte Ergänzung: Natürlich kann man schon bald mit einer Deutungshypothese beginnen. Die könnte etwa lauten: "Dieser Nathan wird als Figur präsentiert, wie sie den Idealen der Aufklärung entspricht." Wir werden sehen, dass das zumindest an einer Stelle nicht stimmt.

Literarische Charakteristik und Rollenbiografie

  • Noch kurz zur sogenannten Rollenbiografie: Im Unterschied zur Charakteristik ist das kein Analyseergebnis, sondern der Versuch, sich als Schüler in die Situation hineinzuversetzen. Sinnvoll ist so was zum Beispiel, wenn man sich vorstellt, dass ein Schauspieler bei einer Aufführung für Schüler ihnen hilft, seinen Anteil am Geschehen zu verstehen. Das würde dann etwa dem Klappentext bei einem Roman entsprechen, der ja auch zum Lesen (und vorher zum Kauf ;-) motivieren soll.

Zu den Zitaten und Belegstellen

Vorbemerkung: Die Versangaben sind ungefähre Angaben, die man genauer prüfen muss, wenn das verlangt ist. Wir wollen hier nur eine erste Hilfestellung leisten.

Vorab-Überblick über den I. Akt und seine Bedeutung für eine Charakteristik Nathans

Untersuchung des I. Aktes im Hinblick auf die Charakteristik

Szene 1: Nathan zwischen "gut" und "schlimm" (S.12)

  • Nathan wird hier als erfolgreicher Handelsherr gezeigt, dem es auch nicht viel ausmacht, wenn sein Haus abgebrannt ist. Dann wird eben ein neues gebaut.
  • Viel mehr interessiert ihn aber das Schicksal seiner Tochter Recha, die von einem Tempelherrn aus dem Brand gerettet worden ist.
  • Unterschwellig wird aber auch deutlich, dass es in der Beziehung zwischen Nathan und Recha ein Problem gibt, das Daja, die darum weiß, Gewissensprobleme macht.
  • Nathan regelt das mit Geschenken:
    "Nimm du so gern, als ich dir geb: – und schweig." (S.9)
    Daja sieht in Nathans Verhalten sogar "Sträfliches" (S. 9) vor Gott
  • Als Nathan hört, dass ein Tempelritter seine Tochter gerettet hat, will er sich gleich nicht nur dankbar, sondern auch großzügig zeigen.
  • Deutlich wird dann, dass der Tempelherr sich nach der Rettungstag sehr abweisend gegenüber Nathans Familie verhalten hat.
  • Nathan macht sich Sorgen um die Wirkung dieser Ablehnung auf seine Tochter. Er sieht hier einen Streit zwischen Herz und Kopf, woraus Schwärmerei entstehen kann, also ein letztlich ungesundes Fühlen und Verhalten.
  • Daraus ist bei Recha schon die Vorstellung entstanden, von einem Engel gerettet worden zu sein. Nathan soll ihr den schönen "Wahn" (S. 12) lassen, dass Jude, Christ und Moslem sich vereinigen können. Nathan lässt das mit dem Wahn stehen, hebt aber hervor, dass die Vorstellung ihm auch süß vorkommt, also gefällt.
  • Auf jeden Fall ist er bereit, den Tempelherrn zu einem Besuch seines Hauses und damit zu einer Begegnung mit Recha zu bewegen.
  • Er ist sehr optimistisch, dass aus der "süße Wahn der süßern Wahrheit" Platz machen kann, dass also der Traum der Vereinigung der drei Religionen wahr wird.
  • Am Ende hat man eine sehr interessante Fremdcharakterisierung Nathans durch Daja:
    "Ihr seid so gut und seid sogleich so schlimm."
    Gemeint ist damit wohl die Liebe zu Recha und der Einsatz für sie, verbunden mit dem "Sträflichen" gegenüber Gott, was Daja bei ihm auch sieht und was der Zuschauer bzw. Leser erst sehr viel später versteht.

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Szene 2:

  • Hier zeigt sich Nathan ganz als Aufklärer, der Recha von ihrem Wunderglauben abbringen will:
  • "Wenn dich ein eigentlicher Tempelherr
  • Gerettet hätte: sollt' es darum weniger
  • Ein Wunder sein? – Der Wunder höchstes ist,
  • Daß uns die wahren, echten Wunder so
  • Alltäglich werden können, werden sollen.
  • Ohn' dieses allgemeine Wunder, hätte
  • Ein Denkender wohl schwerlich Wunder je
  • Genannt, was Kindern bloß so heißen müßte,
  • Die gaffend nur das Ungewöhnlichste,
  • Das Neuste nur verfolgen."
  • Am Ende zeigt er sich auch noch taktisch klug, indem er vom Grundsätzlichen weggeht, was den Engel und Wunder angeht, und Rechas Leidenschaft auf einen möglicherweise kranken Tempelritter lenkt. (V330ff)
  • Das wird am Ende gekrönt mit dem Satz:"
  • Begreifst du aber,
    Wie viel andächtig schwärmen leichter, als
    Gut handeln ist?" (V360)
  • Mit Daja allerdings geht Nathan ziemlich grob um. Ihren pragmatischen Ansatz wendet er ins Grundsätzliche und spricht von "Unsinn und Gotteslästerung" (ca. V300). Das ist für einen Aufklärer schon eine ziemlich platte Nummer.

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Szene 3:

  • Hier zeigt sich Nathan in enger Verbindung mit einem muslimischen Mönch
  • und spricht mit dem recht vertraulich über Verhältnisse am Hof und in der Politik.
  • Gemeinsam mit dem Derwisch vertritt er eher die Interessen der einfachen Menschen (420).
  • Neben Einstellungen und Verhalten spielen für eine Charakteristik auch Umstände eine Rolle - in diesem Falle der, dass der Derwisch als neuer Finanzminister des Sultans auf das Geld Nathans schielt. (435)
  • In diesem Zusammenhang wird ein skeptischer Blick auf die Menschen ganz allgemein deutlich (496).

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Szene 4

  • Daja hat den Tempelherrn wieder gesehen und bittet Nathan, gleich zu ihm zu gehen.
  • Der will sich aber erst umkleiden, Daja soll den Mann erst mal aufhalten.
  • Nathan zeigt sich ziemlich optimistisch, was die Beziehung zwischen Juden und Christen angeht. Er glaubt nicht an grundsätzliche Ablehnung. (525)
  • Daja warnt ihn da deutlich: "er kömmt zu keinem Juden." (528)

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Szene 5

  • Diese Szene hat direkt mit Nathan nichts zu tun - es geht um den Versuch des Patriarchen, den Tempelritter zu feindlichen Akten gegenüber dem Sultan zu verleiten. (625)
  • Das lehnt der Tempelherr rundweg ab, was auf einen guten Charakter hindeutet, auch nicht uninteressant im Hinblick auf sein späteres Verhältnis zu Nathan.
  • Eine direkte Aktion gegen den Sultan bezeichnet der Tempelherr sogar als "Bubenstück", also als Verbrechen. (685)

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Szene 6

  • Es geht noch mal um Daja und den Tempelherrn, nicht direkt um Nathan.
  • Hier geht es noch mal massiv um Vorurteile des Tempelherrn gegenüber Juden und damit auch Nathan.
  • 745: "reich und weise" werden ansatzweise gleichgesetzt
  • 778: "Jud' ist Jude."


Der I. Akt als Basis für die weitere Charakterisierung

Der I. Akt hat in einem Drama immer eine besondere Bedeutung - und zwar als "Exposition", also die Herausstellung des zentralen Konflikts.

Wir übertragen den Gedanken jetzt mal auf die Charakteristik Nathans und prüfen, inwieweit sich im weiteren Verlauf des Dramas noch Änderungen bzw. Erweiterungen oder Präzisierungen im Hinblick auf die Figur des Nathan ergeben.


Auswertung des I. Aktes im Hinblick auf Nathan:

  • Kompetenzen
  • erfolgreicher Geschäftsmann
  • Klugheit
  • Lebenserfahrung im Hinblick auf die Politik
  • Einstellungen
  • Aufklärer
  • optimistisch im Hinblick auf ein Zusammenleben der Religionen
  • optimistisch bis gutgläubig im Hinblick auf das erwartete Verhalten des Tempelherrn
  • eher für die einfachen Leute, Schutz vor den Mächtigen
  • Ziel: gut handeln
  • Verhaltensweisen
  • Gelassenheit im Hinblick auf den Brand des Hauses,
  • aber engagiert im Hinblick auf Recha, besondere Beziehung
  • versucht, Recha von ihrem einfachen Engel-Wunder-Glauben abzubringen
  • Freundschaft mit einem muslimischen Derwisch
  • ziemlich arrogant gegenüber Daja, besticht sie letztlich sogar
  • Selbsteinschätzung
  • gibt sich selbst das Recht, über Recha und ihre Herkunft zu verfügen
  • Fremdeinschätzung
  • Daja: "gut und schlimm"
  • Vorwurf: "sträfliches" Geheimnis
  • Umfeld
  • Gefahr durch die Geldnot des Sultans

Der II. Akt

II. Akt


  • II,1:
    Palast, es geht um die Geldprobleme des Sultans,
    ---
  • II,2:
    Der Derwisch hat größte Mühe, das Interesse des Sultans und seiner Schwester an Nathan abzuwenden.
    ---
  • II,3:
    In der dritten Szene überlegt das Geschwisterpaar, wie man an das Geld von Nathan kommen können.
    Gewalt schließt der Sultan aus, dafür bereitet Sittah einen "Anschlag" vor, der wohl später auf die Frage nach den Religionen hinausläuft.
    Auch hier also vorwiegend der Hintergrund, auf dem Nathan sich bewähren muss.
    ---
  • Fazit I,3: Das Umfeld verdunkelt sich für Nathan, er gerät mit seinem Reichtum ins Visier des Sultans und besonders seiner Schwester
    ---
  • II,4:
  • Nathans Großzügigkeit gegenüber Recha, was deren mögliches Liebesleben angeht
    ---
  • II,5:
  • Vor dem Gespräch bei Betrachtung des Tempelherrn: Nathans positive Einstellung, die Unterscheidung zwischen der rauen Schale und dem möglicherweise weichen Kern (1195);
  • dann seine Interpretation des Verhaltens des Tempelherrn als Bescheidenheit (1222)
  • dann seine menschenfreundliche Hinweise darauf, dass es überall gute Menschen gibt (1273)
  • und man sich sein Vaterland ja nicht aussuchen konnte (1309)
  • sehr rational gedacht.
  • Dann das Freundschaftsangebot (1308), das der Tempel her annimmt. (1313)
  • Hier wird bei Nathan die Vorstellung von einer Art Menschheitsfamilie sehr deutlich. Klar wird auch, wieviel es ihm wert ist, noch einen Menschen gefunden zu haben, der so denkt.
    ---
  • II,6:
  • Nachricht vom Sultan, Nathan solle in den Palast kommen
  • Interessanterweise ist die Reaktion eher, dass sie bekümmert sind und Probleme, möglicherweise Gefahren befürchten.
    Auch hier gehen die Sorgen eher von Daja aus, während sich Nathan wieder einen völlig harmlosen Hintergrund vorstellt ("begierig zu sehen, was / Ich Neues mitgebracht." (1331)
  • Nathan: Sorge eher bei Daja, Nathan denkt sich die Situation mal wieder schön.
    ---
  • 2,7:
  • Der Tempelherr bestätigt seine Ehrlichkeit (wichtig für das Umfeld Nathans, bestätigt dessen positiven Blick auf den Tempelherrn), wenn er von dem "Seil" (1352)  spricht, das ihn an den Sultan bindet.
  • Dann geht es um den Namen des Tempelherren, es geht also um den "Blick des Forschers" (1385), der bei Nathan zu sehen ist und
  • der dem Tempelherrn ein bisschen unangenehm ist.
    ---
  • 2,8:
  • Nathan kann Daja eine gute Nachricht mitzugeben, was Rechas Hoffnung auf den Tempelherrn angeht.
  • Außerdem wird Daja noch einmal aufgefordert, Nathans Plan nicht zu verderben, da merkt man eben dass Nathan jemand ist, der eben auch geheimnisvolle Pläne schmiedet, die vielleicht etwas eigensüchtig sind.
    ---
  • 2,9:
  • Nathan und der Derwisch
  • der entschuldigt sich für die Unannehmlichkeiten mit dem Sultan,
  • sagt, er habe alles versucht, um Nathan da rauszuhalten. (Offensichtlich hat Nathan ein gutes Händchen, was die Auswahl seiner Freunde angeht)
  • Ansonsten einigen sie sich noch einmal auf die Vorstellung, dass man Mensch eigentlich nur in der Wüste sein könne.
  • Nathan verschiebt aber seine eigene mögliche Flucht dorthin erst noch etwas, weil er noch einiges zu erledigen hat. Das bezieht sich wohl auf den Tempelherrn und dessen Geheimnis.
    (Das ist gewissermaßen der zweite Geheimplan nach dem ersten mit Recha.)

Der III. Akt

III,1

  • Daja und Recha bereiten den Besuch des Tempelherrn vor.

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III,2:

  • Recha und der Tempelherr nähern sich an.

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III,3:

  • Daria und Recha werten die Begegnung mit dem Tempelherrn aus, es geht um sein schnelles Verschwinden, was mit dem sich anbahnenden Gefühlssturm der Liebe zu tun hat.
  • Recha sagt von sich, dass sie ruhiger geworden ist, weil sie sie ihrer Zuneigung näher gekommen ist.

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Auswertung im Hinblick auf Nathan: Dessen Interesse am Tempelherrn bekommt hier gewissermaßen ein zweites Standbein.

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III,4:

  • Palastszene: Sittah zeigt sich sehr trickreich und der Sultan fühlt sich davon ein bisschen unter Druck gesetzt, will nur so tanzen, wie er kann.
  • Für Nathan nicht ungefährlich, immerhin ist von Gewalt zumindest die Rede, wenn der Sultan sie auch ablehnt.

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III,5:

  • Nathan wird vom Sultan die gefährliche Frage nach der richtigen Religion gestellt.

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III,6:

  • Hier zeigt sich in einem Monolog die ganze Klugheit Nathans, der eben beschließt, mit einem Märchen die Frage des Sultans zu beantworten:

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III,7:

  • Die Szene mit der Ringparabel, in der Nathan sich regelrecht als Meister der Erfindungsgabe und der Rhetorik erweist, was man an der Reaktion des Sultans gut sehen kann.

---

III,8:

  • Der Tempelherr klärt seine Beziehung zu Recha, will die Vorurteile hinter sich lassen, weil er einen neuen Kopf hat.


III,9:

  • Nathan und der Tempelherr - Der erklärt, wie sehr er Recha liebt, und er möchte immer mit ihr zusammen sein.
  • Eer nennt Nathan sogar seinen Vater.
  • Der ist sehr zögerlich, will die restlichen Unklarheit noch schnell klären.
  • Den Tempelherr lässt er im unklaren.


III,10

  • Daja sagt dem Tempelherrn die Wahrheit über Recha.
  • Kritik an Nathan: Recha konnte sich nicht normal entwickeln.
  • Der Tempel Herrn ist sehr irritiert und fürchtet Folgen. Hier wirkt sich Nathans Geheimniskrämerei wieder negativ aus.

Der IV. Akt

IV,1:


  • Der Tempelherr ist auf dem Weg zum Patriarchen und trifft den Klosterbruder, und macht dort deutlich, dass ihn die Religionsfrage in diesem Konfliktfall durchaus noch beschäftigt: "ich seh nun wohl, / Religion ist auch Partei." (2432)

---

IV,2:

  • Der Tempelherr trifft auf den Patriarchen, erzählt dem, allerdings nur allgemein von der Geschichte mit Nathan und Recha.
  • Der Patriarch ist empört und hält sogar die Todesstrafe für angemessen.
  • Er will dann auch wissen, wer dahinter stecke.
  • Hier weicht der Tempel her aus und schützt damit Nathan,
  • allerdings wird der Klosterbruder beauftragt, sich um die Sache zu kümmern.
  • Hier merkt man also, dass Nathans Geheimniskrämerei ihn in echte Gefahr bringen könnte, wenn nicht Saladin als Herrscher auf seiner Seite stünde.

---

IV,3:

  • Eine für unser Thema eher unwichtige Szene, wichtig allerdings für die Aufdeckung des Tempelherrn-Geheimnisses:
  • Sittah hat ein Bild ihres gemeinsamen Bruders gefunden und will das nun bei einer entsprechenden Begegnung mit dem Tempelherrn vergleichen.

---
IV,4:

  • In dieser Szene im Palast wird jetzt erst mal festgestellt, dass es wirklich diese Ähnlichkeit zwischen dem Tempelherrn und dem Bruder des Sultans gibt.
  • Anschließend geht es um die angebliche Freveltat Nathans. Hier wird der Tempel her regelrecht ausfallend, beschimpft Nathan sogar und will ihn entlarven und bestrafen.
  • Er muss vom Sultan regelrecht zurechtgewiesen werden.
  • Man sieht also, in welchem Ausmaß Nathans Geheimniskrämerei Schaden angerichtet hat.
  • Interessant auch für das Religionsthema:
    Wie sehr ist Nathan doch abhängig von einem Sultan, der anscheinend kaum etwas zu tun hat, als letztlich gut zu Nathan zu sein.
  • Das ist natürlich völlig wirklichkeitsfremd, nimmt auch keine Rücksicht darauf, dass der Sultan natürlich bedenken muss, was seine eigene Glaubensgemeinschaft und deren Würdenträger dazu sagen.
  • Interessant, dass dies überhaupt kein Thema ist in Lessings Drama. Das zeigt mal wieder seine absolute Wirklichkeitsfremdheit.

---

IV,5:

  • Hier wird das Gespräch mit dem Tempelherrn nachgearbeitet, der Sultan ist ganz euphorisch.
  • Sittah möchte Recha näher kennenlernen und dafür in den Palast einladen, was ihr auch zugestanden wird.

---
IV,6:

  • Diese Szene ist noch mal sehr wichtig, weil Daja noch einmal Nathan drängt, endlich mit der Wahrheit rauszurücken.
  • Dabei ist ganz offen von Lüge die Rede.
  • Nathan reagiert wieder nur ärgerlich und bittet um Geduld. Auch hier wieder die Geheimniskrämerei.

---

IV,7:

  • Hier erfährt der Leser bzw. Zuschauer jetzt die Einzelheiten des Geheimnisses um Recha.
  • Die Klosterbruder erinnert nämlich Nathan daran, dass er ihm damals das Mädchen gebracht hat.
  • Das führt bei Nathan dazu, dass er sich an die Ermordung seiner Familie erinnert.
  • Hier ist für unser Thema ganz wichtig:
    Er sagt, bei ihm sei schließlich die Vernunft durchgedrungen und habe ihm bei der Bewältigung der Trauer geholfen. Auf diesen wichtigen Abschnitt sollten wir hier kurz näher eingehen:
  • "NATHAN.
  • Als
  • Ihr kamt, hatt' ich drei Tag' und Nächt' in Asch'
  • Und Staub vor Gott gelegen, und geweint. –
  • Geweint? Beiher mit Gott auch wohl gerechtet,
  • Gezürnt, getobt, mich und die Welt verwünscht;
  • Der Christenheit den unversöhnlichsten
  • Hass zugeschworen –
    ---
  • KLOSTERBRUDER.
  • Ach! Ich glaubs Euch wohl!
    ---
  • NATHAN.
  • Doch nun kam die Vernunft allmählich wieder.
  • Sie sprach mit sanfter Stimm': »und doch ist Gott!
  • Doch war auch Gottes Ratschluß das! Wohlan!
  • Komm! übe, was du längst begriffen hast;
  • Was sicherlich zu üben schwerer nicht,
  • Als zu begreifen ist, wenn du nur willst.
  • Steh auf!« – Ich stand! und rief zu Gott: ich will!
  • Willst du nur, dass ich will! – Indem stiegt Ihr
  • Vom Pferd', und überreichtet mir das Kind,
  • In Euern Mantel eingehüllt. – Was Ihr
  • Mir damals sagtet; was ich Euch: hab' ich
  • Vergessen. So viel weiß ich nur; ich nahm
  • Das Kind, trugs auf mein Lager, küsst' es, warf
  • Mich auf die Knie' und schluchzte: Gott! auf Sieben
  • Doch nun schon Eines wieder!
    ---
  • KLOSTERBRUDER.
  • Nathan! Nathan!
  • Ihr seid ein Christ! – Bei Gott, Ihr seid ein Christ!
  • Ein bessrer Christ war nie!
  • NATHAN.
  • Wohl uns! Denn was
  • Mich Euch zum Christen macht, das macht Euch mir
  • Zum Juden! –"
  • Am Ende fällt dem Klosterbruder ein, dass er von dem toten Vater Rechas noch ein Gebetbuch hat, in dem sich eine Übersicht über seine Verwandten befindet.
  • Schöner kann es jetzt eigentlich nicht laufen. Man fragt sich allerdings so ein bisschen: Wo ist der Kloster Bruder in all den Jahren gewesen, hat er sich nie um diese Rechas weiteres Schicksal gekümmert?
  • Etwas schwach konstruiert beziehungsweise zumindest nicht erklärt.

---

IV,8:

  • Daja erscheint in Sorge, weil Recha in den Palast gerufen worden ist.
  • Sie befürchtet gegenüber Nathan, dass Recha dort mit einem Moslem verheiratet werden soll, um zum Beispiel auf diese Art und Weise und das Vermögen von Nathan zu kommen.
  • In einem anschließenden Monolog wird ihre Absicht deutlich, Recha jetzt auch über ihre Herkunft aufzuklären, nachdem sie das bei dem Tempelherrn ja schon gemacht hat.

Der V. Akt

V,1:

  • Der Sultan bekommt jetzt plötzlich Geld aus Ägypten.
  • Wichtiger ist aber, dass dabei seine Soldaten, die Mamelucken, sich als besonders gute, kameradschaftlichen Menschen zeigen.
  • Der Sultan schreibt sich das selbst zu.
  • Und implizit enthält das natürlich die Botschaft der Aufklärung: Erziehung des Menschengeschlechts im eigentlichen Sinne des Wortes.
  • Das ganze ist aber natürlich nur ein fiktiver Beweis für die Richtigkeit dieser Hoffnung.

---

V,2:

  • Hier geht es darum, dass das Geld aus Ägypten sicher zum Vater des Sultans und damit auch zur Kriegskasse gebracht werden soll.
  • Deutlich wird, dass es eben auch weiterhin die Ebene des Krieges gibt.
  • Auch wiederum ein Beweis für die Brüchigkeit dieser ganzen Ringparabel, der Krieg geht nämlich weiter und es ist sehr fraglich, ob die Krieger und ihre Anführer sich genauso durch eine Parabel belehren lassen wie der brave Sultan.

---

V,3:

  • Der Tempelherr ändert seine Meinung im Hinblick auf Nathan, dem er den "kleinen Raub" (3240) jetzt durchaus gönnen kann.
  • Wichtig ist für ihn jetzt die große Bildungsleistung, die Nathan an Recha erbracht hat.
  • Das sollte man im Zusammenhang sehen mit der Bücherszene bei Sittah.
  • Bildung bekommt Recha sicher, aber eben eine sehr einseitige, personenbezogene.
  • Letztlich hat Nathan hier eine Haltung gezeigt, die auf Abhängigkeit hinausläuft.

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V,4:

  • Nathan bekommt vom Klosterbruder jetzt dieses Buch, das alle Geheimnisse klärt.
  • Er ist auch sehr dankbar dafür.
  • Hier könnte man natürlich die Frage stellen, ob Nathan mit Offenheit - vor allen Dingen gegenüber dem Tempelherrn  - nicht vielleicht doch weniger abhängig gewesen wäre von diesem absoluten Glücksfall.
  • Interessant für die Religionsfrage ist hier die folgende Stelle, wo Nathan befreit aufatmet und ein besonderes Verständnis Gottes deutlich macht: (3328)
  • "Gott! wie leicht /
  • Mir wird, dass ich nun weiter auf der Welt
  • Nichts zu verbergen habe! dass ich vor
  • Den Menschen nun so frei kann wandeln, als
  • Vor dir, der du allein den Menschen nicht
  • Nach seinen Taten brauchst zu richten, die
  • So selten seine Taten sind, o Gott! –

---

V,1:

  • Es kommt zum offenen Gespräch zwischen dem Tempelherrn und Nathan.
  • Dieser erfährt zunächst, dass der Tempelherr ihn beim Patriarchen nur halb verraten hat.
  • Jetzt ist dem Tempelherrn sogar dankbar, weil das ja die Suchfunktion ausgelöst hat, die ihm das Buch und damit die Klarheit gebracht hat.
  • Der Tempelherre möchte Recha heiraten, um so jeder Verfolgung zu entgehen.
  • Hier fängt Nathan jetzt ein neues Spiel an, indem er plötzlich von einem Bruder spricht, die darüber entscheiden müssen.
  • Das löst Ängste beim Tempelherrn aus, dieser Bruder könnte Rechas ganze Erziehung in Frage stellen.
  • Er will jetzt sogar mit ihr fliehen.
  • Aber den guten Nathan interessiert das alles überhaupt nicht. Er behält seinen Trumpf in der Hand, was dramaturgisch schön ist, aber menschlich natürlich äußerst problematisch

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V,6:

  • Hier ist Recha bei Sittah im Palast und da bekommt sie zunächst Positives über den Eindruck zu hören, den sie macht.
  • Spannend wird es dann bei der Frage ihrer Lektüre:
    ---
  • "SITTAH.
  • Was freu ich mich nicht deiner, süßes Mädchen! –
  • Sei so beklemmt nur nicht! so angst! so schüchtern! –
  • Sei munter! sei gesprächiger! vertrauter!
    ---
  • RECHA.
  • Prinzessin, ...
    ---
  • SITTAH.
  • Nicht doch! nicht Prinzessin! Nenn
  • Mich Sittah, – deine Freundin, – deine Schwester.
  • Nenn mich dein Mütterchen! – Ich könnte das
  • Ja schier auch sein. – So jung! so klug! so fromm!
  • Was du nicht alles weißt! nicht alles musst
  • Gelesen haben!
    ---
  • RECHA.
  • Ich gelesen? – Sittah,
  • Du spottest deiner kleinen albern Schwester.
  • Ich kann kaum lesen.
    ---
  • SITTAH.
  • Kannst kaum, Lügnerin!
    ---
  • RECHA.
  • Ein wenig meines Vaters Hand! – Ich meinte,
  • Du sprächst von Büchern.
    ---
  • SITTAH.
  • Allerdings! von Büchern.
    ---
  • RECHA.
  • Nun, Bücher wird mir wahrlich schwer zu lesen! –
    ---
  • SITTAH.
  • Im Ernst?
    ---
  • RECHA.
  • In ganzem Ernst. Mein Vater liebt
  • Die kalte Buchgelehrsamkeit, die sich
  • Mit toten Zeichen ins Gehirn nur drückt,
  • Zu wenig.
    ---
  • SITTAH.
  • Ei, was sagst du! – Hat indes
  • Wohl nicht sehr Unrecht! – Und so manches, was
  • Du weißt ...?
    ---
  • RECHA.
  • Weiß ich allein aus seinem Munde.
  • Und könnte bei dem meisten dir noch sagen,
  • Wie? wo? warum? er michs gelehrt.
    ---
  • SITTAH.
  • So hängt
  • Sich freilich alles besser an. So lernt
  • Mit eins die ganze Seele.
    ---
  • Auch wenn hier wohl die enge Beziehung zwischen Recha und Nathan deutlich werden soll, hat das doch mit Aufklärung nichts zu tun, wenn man an die berühmte Definition von Kant denkt, sich des eigenen Verstandes bedienen zu können.
  • Das wird im folgenden dann von Sittah etwas relativiert nach dem Motto: eine solche persönliche Belehrung geht natürlich viel tiefer, da wird allerdings übersehen, dass dann die Wahrheit sich mit Loyalitätsgefühlen vermischt. Ein kritisches Bewusstsein kann so kaum entstehen. Außerdem geht es hier hier um eine frühe Prägung eines Menschen.
  • Dann geht es um die zugleich gute und böse Dajaa, interessant ist, dass hier etwas aufgenommen wird, was Daja über Nathan ja auch gesagt hat und was der These entspricht, dass Nathan der Weise als Stück doch ein Plädoyer eh für die Grauzonen macht, statt Schwarz-weiß- Malerei.
  • Das wird dann im folgenden ausgeführt. Erst wird das Gute, die Mutterfunktion von Daria, hervorgehoben. Dann geht es darum, das Daja Recha mit ihrer Religions-Entschiedenheit auch gequält hat, wenn auch aus Liebe.
  • Interessant ist hier, dass Rächer ja ähnlich wie Sittah ganz offensichtlich viel weiser ist als Nathan, was die Probleme von Religion angeht. Am Ende wäre zu überlegen, ob nicht gegebenenfalls hier eine untergründige Botschaft durch das Drama vermittelt wird, was natürlich die Ringparabel noch weiter relativiert, nämlich als Märchen, aus Not beziehungsweise Notwendigkeit geboren.
  • Interessant ist dann allerdings die abschließende Bemerkung Rechas, dass sie diese Daria doch gerne noch länger gehabt hätte, weil sie sie gewissermaßen angetrieben hat.
  • Hier gibt es übrigens eine interessante Parallele zu Goethes Faust, was Mephisto angeht, nur dass Daja das natürlich aus Überzeugung tut und nicht aus teuflischer Absicht wie Mephisto.
  • Interessant ist außerdem im Hinblick auf Nathan, wie viel Schmerz Dajas bei Recha auslöst durch diese späte Bekanntgabe ihrer eigentlichen Identität.

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V,7:

  • Der Sultan tritt ein und versucht Recha zu beruhigen, bietet sich ihr sogar als Vater an.
  • Außerdem empfiehlt er ihr, sich einen Ehemann zu suchen, was noch besser sei als Vater.
  • Und kündigt Nathan und einen weiteren Besucher an, hier gibt es auch beim Sultan etwas Geheimniskrämerei.

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V,8:

  • Letzte Szene; Nathan versucht auch erst mal Recha zu beruhigen, er geht ihr ja nicht verloren.
  • Der Sultan bleibt auf seinem Heiratstrip und fordert jetzt Recha auf, dem Tempelherrn ihre Liebe zu erklären.
  • An dieser Stelle muss Nathan natürlich eingreifen, der jetzt ja weiß, was die beiden Liebenden verbindet, aber eben auch trennt.
  • Dann wollen sich alle schon um Armen, da greift der Sultan ein und macht deutlich, dass der Tempel her eben sein Neffe ist.
  • Dann rückt Nathan mit seinem Buch an und klärt, dass Rächer und der Tempelherr einen gemeinsamen Vater haben.
  • Am Ende haben wir dann die Menschheitsfamilie, wo alle miteinander verwandt sind.
  • Das gilt natürlich nicht für Nathan, aber für den gilt, was der Sultan vorher über Bluts- und andere Verwandtschaft gesagt hat.
  • Das hängt dann wieder mit dem Satz zusammen, dass die Geschichte eigentlich den Menschen prägt und hier eben die Beziehung zwischen Recher und Nathan.

Wir setzen das hier noch fort ...


Wer noch mehr möchte

  • Ein alphabetisches Gesamtverzeichnis unserer Infos und Materialien gibt es hier.
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