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Es gibt viele Möglichkeiten, sich etwas klarzumachen :-)



Wir versuchen es vor allem mit Bildern - aber natürlich auch mit verständlichen Texten.



Brentano, "Abendständchen"

Brentano "Abendständchen" zwischen "Synästhesie" und "Bewusst-losigkeit"

Clemens Brentano

  • Bei dem Text handelt es sich um ein Gedicht von Clemens Brentano, das 1802 entstanden ist.
  • Also in der Zeit der Romantik – zu deren Dichtern Brentano auch gehört.
  • Das Gedicht besteht aus zwei Strophen mit jeweils vier Versen.
  • Vierhebiger Trochäus
  • Kreuzreim
  • Erste Strophe nur weibliche Versschlüsse
  • Zweite Strophe Wechsel entsprechend dem Reim.
  • Frage offen, ob das Bedeutung hat.

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Abendständchen

  • ·      Der Titel verbindet bereits einen bestimmten Teil des Abends mit einem kleinen Musikvortrag.

Hör, es klagt die Flöte wieder,

Und die kühlen Brunnen rauschen!

Golden weh’n die Töne nieder;

Stille, stille, lass uns lauschen!

  • Das lyrische Ich wendet sich mit einer Anrede an sich selbst oder ein fiktives Du oder auch den Leser, der dieses Ständchen dann aber nur in seiner Fantasie nachempfinden kann.
  • Verwiesen wird wohl auf das im Titel angesprochene Ständchen, das jetzt in zweierlei Hinsicht präzisiert wird:
  • Zum einen geht es um eine Flöte.
  • Zum anderen empfindet das lyrische Ich die Töne als klagend.
  • Die Töne des Musikinstruments werden dann direkt ergänzt durch das Rauschen der Brunnen, was aber wohl ein besonders gutes Gehör verlangt.
  • Interessant ist, dass hier schon zwei verschiedene Sinneseindrücke miteinander verbunden werden, nämlich die als kühl empfundene Temperatur im Umfend der Brunnen. Das wird verbunden mit einer Hör-Empfindung, nämlich des Rauschens.
  • Dann wendet sich das lyrische Ich wieder der Musik zu. Der Gesamteindruck scheint positiv zu sein. Hier gibt es besonders ausgeprägt das Phänomen der Synästhesie, also der direkten Verbindung ganz verschiedener Sinneseindrücke:
  • Das „Golden“, das eigentlich nur vom Auge wahrgenommen wird, hier aber wohl irgendwie auf die Töne übertragen wird, um sie als wertvoll darstellen zu können.
  • Dann die Töne eben als akustischer Eindruck.
  • Und schließlich noch der Eindruck des Nieder-Wehens, was zunächst einmal auch ein optischer Eindruck ist, man denkt an so etwas wie fallende Blätter. Im Hinblick auf den akustischen Bereich ist es wohl als Verklingen zu verstehen.
  • Am Ende dann noch einmal der Appell, des Sich-Konzentrierens auf die Musik – und das sogar in einer Wiederholung der Aufforderung zum Stillsein – die dann in den Appell mündet, gemeinsam zu lauschen.

Holdes Bitten, mild Verlangen,

Wie es süß zum Herzen spricht!

Durch die Nacht, die mich umfangen,

blickt zu mir der Töne Licht.

  • Was da als Musik erklingt, wird – wohl über die Klage – als „Bitten“ oder dann noch intensiver als „Verlangen“ verstanden. Zum einen in den Bereich des Edlen erhoben – über das Attribut „hold“, zum anderen etwas reduziert durch „mild“.
  • Das lyrische Ich stellt dann fest, dass diese Musik „süß zum Herzen spricht“. Das wird heutzutage eher mit „Süßlichkeit“ verbunden und allenfalls noch auf „süße kleine Wesen“ bezogen. Hier soll es wohl einfach bedeuten, dass da etwas angenehm das eigene Herz erreicht.
  • Das Gedicht endet mit einer Doppelzeile, die die Nacht, die das lyrische Ich „umfangen“ hat (hier bleibt offen, ob das eher positiv oder auch negativ ist), aufhellt, erstaunlicherweise und wieder im Sinne von Synästhesie durch „der Töne Licht“.
  • Anzumerken wäre hier noch, dass eine Personifizierung des Lichtes vorliegt.

Das Gedicht zeigt:

  1. Eine romantische Gesamtsituation, in der der Abend und später die Nacht über Musik zu einem besonderen Erlebnis wird.
  2. Dies geschieht durch die Flöte als Musikinstrument, wobei das lyrische Ich sehr stark so etwas wie Klage vernimmt, das später sogar durch Bitten und schließlich ein Verlangen verstärkt bzw. präzisiert wird.
  3. Worauf sich das richtet oder was zur Klage geführt hat, bleibt völlig offen.
  4. Wichtig ist nur, dass dieses „Abendständchen“ als angenehm empfunden wird, so dass das lyrische Ich direkt auffordert, ihm zuzuhören.
  5. Letztlich geht es wohl darum, dass diese möglicherweise melancholische Grundstimmung am Ende durch die Musik aufgehellt wird.

Unterstützt wird die inhaltliche Aussage durch:

  1. Durch die wiederholte Aufforderung am Anfang, still zu sein und zu lauschen,
  2. Die Einbettung der Musik in einen romantischen Brunnenraum,
  3. Die synästhetische Verbindung von Farben, Tönen und ggf. auch Tastempfindungen,
  4. Die Verbindung von Klage, Bitten und Verlangen, das aber abgemildert wird
  5. Und schließlich den Gegensatz zwischen der Nacht und dem Licht, das durch die Musik für das lyrische Ich entsteht.
  6. Besonders am Ende spielt die Personfizierung des Lichts eine große Rolle, aber auch schon das Klagen der Flöte deutet dieses sprachliche Mittel zumindest an. Eventuell kann man hier sogar von einem Rahmen sprechen, der zugleich eine Intensivierung und eben eine positive Aufhellung mit sich bringt.

Einordnung dieses Gedichtes in den Epochenzusammenhang der Romantik

  1. Ein typischer Motivraum der Romantik ist der Abend und die darauffolgende Nacht. Inwieweit die Nacht hier positiv gesehen wird – mit einer möglichen Verstärkung durch „der Töne Licht“ – oder ob zum Abend auch die Klage gehört, die dann erst mal aufgehoben werden muss, bleibt offen.
  2. Eher nebensächlich sind die Brunnen, ebenfalls ein typisches Motiv der Romantik.
  3. Wichtiger ist wohl die dreifach genannte Sehnsucht von der Klage über das Wünschen bis hin zum Verlangen.
  4. Typisch für die Romantik ist sicher auch der Gestus der Anrede, der Herstellung von Gemeinschaft.
  5. Insgesamt handelt es sich um sehr berühmtes Gedicht der Romantik, das aber seltsam unbestimmt bleibt – sowohl in der Klage als auch in der konkreten Wahrnehmung der Musik. Natürlich ist die Synästhesie hier besonders ausgeprägt und deshalb wird die dritte Zeile der ersten Strophe auch ständig zitiert, aber insgesamt ist dieses Gedicht durch eine gewisse Bewusstlosigkeit geprägt, was sicher auch ein deutlicher Gegenakzent zergliedernden, einordnenden Vorstellung einer Situation und ihrer Wirkung darstellt.
  6. In gewisser Weise kann man das, was dieses Gedicht macht, auch als „romantisieren“ verstehen, dem relativ Gewöhnlichen eines Abend-Flötenständchens doch einen sehr hohen Sinn zu geben, der aber eben mehr behauptet als anschaulich gemacht wird. Aber so wird möglicherweise die Fantasie des Lesers auf besondere Weise angesprochen bzw. aktiviert.


Wer noch mehr möchte



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