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Es gibt viele Möglichkeiten, sich etwas klarzumachen :-)



Wir versuchen es vor allem mit Bildern - aber natürlich auch mit verständlichen Texten.



Lars Krüsand, "Zwischen Enttäuschung und Begeisterung"

Lars Krüsand, "Zwischen Enttäuschung und Begeisterung"

Das folgende Gedicht beschäftigt sich mit der Frage, warum wir zum Teil sehr enttäuscht sind, wenn wir den Geheimtipps anderer nachreisen.

Interessant am Ende besonders das etwas andere Verständnis eines berühmten Satzes aus dem "Kleinen Prinzen".

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Zum Verfassernamen: Es handelt sich um das Pseudonym eines Kollegen, der eigene Schreibversuche immer wieder mal dem Härtetest einer Besprechung im Unterricht aussetzen will. Und da möchte er auch nur als Leser auftauchen und den Schülern maximalen Raum auch für Kritik geben.

Lars Krüsand,
Zwischen Ent-Täuschung und Be-Geist-erung


Beim Rückblick auf meine Reisen
die erstaunte Feststellung,
wie oft mich die Geheimtipps anderer
ganz furchtbar enttäuscht haben.

  • Das Gedicht beginnt mit einer Erfahrung, die das lyrische Ich macht, als es auf frühere Reisen zurückblickt.
  • Das kann beim Durchblättern von Fotoalben geschehen oder auch bei der Durchsicht von Reisefotos mit dem Ziel, das besonders Schöne zu behalten und sich vom weniger Schönen zu trennen.
  • Die Erfahrung besteht aus einem Gegensatz, nämlich der Begeisterung (um diesen Begriff aus der Überschrift schon mal aufzunehmen) anderer im Hinblick auf das, was sie gesehen haben, und der Enttäuschung bei einem selbst, der das nicht nachvollziehen kann.
  • Interessant ist das "furchtbar", das aber erst richtig verständlich wird, wenn man die zweite Versgruppe hinzunimmt.

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Immerhin war da die Vorfreude,
verbunden auch mit Anstrengung
bei der Reise zum Ziel.
Und dann die Frage:
Das war der Tipp -
Wo ist der Traum?

  • Hier geht es nämlich um zwei Elemente, die deutlich machen, dass das lyrische Ich bei den "Geheimtipps" einiges vorher hineingelegt hat. Man könnte fast von Investieren sprechen - zum einen auf der gefühlsmäßigen Ebene, zum anderen auf einer körperlichen, wahrscheinlich auch nervlichen.
  • Entscheidend ist das "dann", d.h. der Vergleich zwischen den Aufwendungen und dem, was einem am Ziel geboten wird.
  • Wer genau hinschaut, stellt fest, dass aus den "Geheimtipps"  jetzt "Traum"-Tipps geworden sind. Hier merkt man schon, dass aus dem Tipp der anderen etwas Schönes geworden ist, das man sich vorstellt.
  • Und genau das wird am Ende vermisst und umso größer ist die Enttäuschung.

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Und nun die Einsicht,
es war der Traum anderer
und man liebt nur das,
was - wie Goethe schon wusste -
man sich anverwandelt.

  • Was jetzt folgt, ist eine Reflexioin, ein Nachdenken darüber, wie es zur Enttäuschung kommen konnte.
  • Daraus entsteht eine "Ein-Sicht", also ein tieferer Blick in die Zusammenhänge.
  • Auch hier wieder ein Gegensatz, nämlich der "Traum anderer" und das, was man selbst "liebt", weil man es sich "anverwandelt" hat.
  • Das bedeutet nichts anderes, als dass es zum einen zu einem selbst passt, einen aber auch ein bisschen verwandelt, d.h. verändert, weiter entwickelt hat.

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Das aber ist lässt sich
weniger gut übertragen
als der Hinweis
auf einen Ort.

  • Es folgt der zweite Teil der Einsicht, nämlich die fundamentale Erfahrung, dass das, was einen im Herzen bewegt, nicht so gut weitergegeben werden kann, als eine reine Sachinformation.
  • Streng genommen geht es hier natürlich um das, was einen anderen anscheinend bewegt hat und was er mit einem Ort verbindet.

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Umso schöner,
wenn man von einem Ort
überrascht wird,
ihn spontan schon
ins Herz schließt
und er zu einem Teil wird
vom Eigenen.

  • In dieser Strophe verlässt das lyrische Ich sein trauriges Ausgangsthema und wendet sich den positiven Reise-Erfahrungen zu, den Orten, in denen es von etwas überrascht wurde und was dann direkt ins eigene Herz eindringen konnte.
  • Die letzten beiden Zeilen beschreiben dann noch einmal den Prozess des Anverwandelns, hier aber mehr im Sinne einer Erweiterung als einer Veränderung des bereits Vorhandenen.

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Auch hier passt
die Weisheit
des kleinen Prinzen:
Man sieht nur
mit dem Herzen gut,
wenn auch in einem etwas
anderen Sinn.

  • Offensichtlich ist dem lyrischen Ich an dieser Stelle etwas eingefallen, was viele Menschen als schönen Spruch kennen werden.
  • Interessant und anregend, dass das lyrische Ich ihn aber nicht als so ganz passend empfindet.
  • Um dazu verstehen, muss man sich die Originalstelle etwas genauer anschauen:
  • Wenn man sich die Variante zum Beispiel auf dieser Seite anschaut, dann stellt man fest, dass der Satz noch weitergeht:
  • "Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar."
  • Hier wird deutlich, dass der Akzent ein anderer ist: Es geht um das "Wesentliche", das für die Augen, also im eigentlichen Sehvorgang "unsichtbar" bleibt.
  • Das kann zum Beispiel etwas der Ort sein, an dem man sich zum ersten Mal verliebt hat. Und dieses "Wesentliche" ist ganz an den einzelnen Menschen und seine Vorstellung gebunden.
  • In dem Gedicht geht es nicht unbedingt um so etwas "Wesentliches", sondern es geht gewissermaßen um eine andere Einfärbung, um andere Filter, mit denen man sieht.
  • Um das Goethewort noch einmal aufzunehmen: Es geht darum, ob ein neuer Ort zu dem passt, was man selbst als positiv empfindet. Zum Beispiel liebt jemand Leuchttürme - und er sieht zum ersten Mal einen, den er sich so noch nie vorgestellt hat. Hier geht es eher um eine Art Bereicherung, Erweiterung des Schönen, das man kennt. Das Wesentliche kann dabei durchaus bei etwas anderem liegen, zum Beispiel bei dem Heiratsantrag, den man dem geliebten Menschen auf einem bestimmten Leuchtturm gemacht hat. Bei dem neuen Leuchtturm geht es nur um das Äußere, seine Einbettung in die Landschaft oder die an ihm sichtbaren Lichteffekte, die man fotografiert oder - noch besser - malt, wenn man es kann.


Noch eine kleine Ergänzung:

  • Ein aufmerksamer Leser wird möglicherweise schnell an die Stelle kommen, an der man noch einen Schritt weitergehen kann.
  • Denn Enttäuschungen können nicht nur beim Ankommen an Geheimtipps-Orten entstehen.
  • Es gibt auch Traumvorstellungen, die man sich selbst macht.
  • Immer wieder liest man, dass Menschen mit Ortsnamen sehr schnell bestimmte Vorstellungen verbinden.
  • "Korallenmeer" oder auch "Tal des Todes".
  • Oder nehmen wir Lessings Theaterstück "Nathan der Weise", wo der Derwisch sein "Ehrenkleid", das er vom Sultan erhalten hat (zusammen  mit einem Amt und dessen Pflichten), an den Nagel hängen will "und ich bin am Ganges, wo ich leicht und barfuß den heißen Sand mit meinen Lehrern trete."
  • Auch hier hat man schnell passende Bilder am Kopf - wenn nicht, so nimmt man einfach den "Rio Colorado" und mischt sich die Farben dieses Flusses in der Fantasie.
  • In aller Regel hält auch hier die Wirklichkeit den Träumen nicht statt und es kommt zu Enttäuschungen oder - im besten Falle - zu einer neuen Erfahrung, bei der der Ort und das eigene Herz sich gewissermaßen in die Arme schließen (wenn dieses Bild hier erlaubt ist, wir wollten nicht von "zusammenfallen" sprechen ;-)



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