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Es gibt viele Möglichkeiten, sich etwas klarzumachen :-)



Wir versuchen es vor allem mit Bildern - aber natürlich auch mit verständlichen Texten.



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Anmerkungen zu Brechts Parabel "Maßnahmen gegen die Gewalt"

Brechts kurze Erzählung von einem Herrn Keuner, der sich erst gegen die Gewalt ausspricht, dann ihr gehorcht und am Ende über sie siegt, ist äußerst interessant. Sie entwickelt nämlich ein Modell eines Verhaltens gegenüber ungeregelter Macht, das einem helfen kann, sie zu überwinden.


Der erste Teil des Textes - die Keuner-Geschichte

  • Wenn man sich den Anfang des Textes anschaut, merkt man zunächst einmal, dass es sich ganz offensichtlich um eine Erzählung handelt.
  • Das Besondere ist, dass hier gleich am Anfang eine Figur auftaucht, die auf seltsame Art und Weise als „der Denkende“ bezeichnet wird. Das ist eher ungewöhnlich, denn in einer normalen Erzählung wäre eher von einem Herrn Keuner die Rede, der überall für seine Nachdenklichkeit berühmt war.
  • Dass dieser Mann sich in einer Rede gegen Gewalt ausspricht, ist sicherlich nicht ungewöhnlich, auch wenn man nicht weiß, um welche konkrete Situation es sich handelt.
  • Dann passiert etwas noch Erstaunlicheres als am Anfang, nämlich der Redner wird plötzlich auf seltsame Art und Weise mit dem schlimmstmöglichen Fall konfrontiert, nämlich damit, dass das, wogegen er sich ausspricht, plötzlich hinter ihm steht. Das ist so, wie wenn jemand auf der Herrentoilette über den gemeinsamen Chef herzieht und sich hinter ihm plötzlich eine Kabinentür öffnet, aus der sein Boss persönlich kommt und wohl alles gehört hat.
  • In Brechts Parabel kommt hinzu, dass die Gewalt hier obwohl sie etwas Abstraktes ist, wie eine konkrete Figur behandelt wird.
  • Das wird in keiner Weise geklärt, stattdessen kommt es direkt zu einem Dialog, der die Peinlichkeit für den Redner noch erhöht.
  • Er wird nämlich gefragt, was er da eben gesagt habe. Und in der Antwort lügt Herr Keuner nicht nur, sondern er behauptet sogar das direkte Gegenteil von dem, was vorher seine Auffassung gewesen ist.
  • Es ist über aus verständlich, dass die Schüler ihm anschließend die Frage nach seinem Rückgrat stellen. Damit ist natürlich im übertragenen Sinne seine Haltung, seine Widerstandskraft gemeint.
  • Herr Keuner antwortet souverän, fast ein bisschen überheblich mit dem Hinweis, dass er kein „Rückgrat zum zerschlagen“ habe. D.h. er will jeder Gewalttätigkeit, bei der er unterliegen muss, ausweichen.
  • Das verbindet er allerdings mit einer Langzeitperspektive, es geht erst mal nicht um Widerstand oder Unterwerfung, sondern um Überleben.

Der zweite Teil des Textes - die Egge-Geschichte

  • Im folgenden wird dem Leser deutlich, dass es sich hier um eine Erzählung handelt, bei der am Anfang ein Problem geschildert wird und dann wird dieses Problem in einer eingebauten weiteren Erzählung behandelt und im besten Falle geklärt.
  • Wenn eine solche Geschichte am Ende tatsächlich etwas klärt, etwas deutlich macht, spricht man von einer sogenannten Parabel. Darunter versteht man Geschichten, bei denen zwei Teile nebeneinandergestellt werden. Da gibt es zum einen den Sachteil, das ist hier die Geschichte, in der Herr Keuner gegenüber der Gewalt so scheinbar kläglich versagt hat. Und dann gibt es den Bildteil, das ist die Geschichte, mit der etwas verdeutlicht werden soll.
  • In diesem Falle erfindet Herr Keuner also einen Herrn Egge, von dem gleich gesagt wird, dass er gelernt habe, nein zu sagen. Man merkt da deutlich, dass das eine Parallelfigur zu ihm selbst ist.
  • Auch dieser Mann wird eines Tages vor eine außergewöhnliche Herausforderung gestellt, denn in der Zeit der Illegalität, also der Gesetzlosigkeit, kommt ein Vertreter derer, die die Macht haben und Gewalt ausüben können und legt ihm pro forma einen Zettel vor, nach dem Herr Egge ihm alles zu übergeben hat und ihm dienen muss.
  • Konsequent ist dann auch die Frage, ob Herr Egle ihm dienen werde. Dieser antwortet aber nicht mit einem klaren Wort, sondern mit der realen Erfüllung all dessen, was von ihm verlangt wird.
  • Extra betont wird vom Erzähler, dass dieser Herr Egge während der sieben Jahre, die er dienen muss, kein Wort zum Vertreter der Gewalt sagt.
  • Das ist dann die Vorbereitung des abschließenden Höhepunkte. Denn in der eingebauten Geschichte macht das ständige Bedientwerden den Vertreter der Macht krank und lässt ihn schließlich sterben.
  • Jetzt kann Herr Egle das tun, was er immer vorgehabt hat, aber wozu er jetzt erst Gelegenheit bekommt. Es ist letztlich ein kräftiges Nein, nachdem er sich von allem befreit hat, was der Agent hinterlassen hat.
  • Es war sicherlich eine gute Idee von Brecht, am Ende Herrn Keuner nicht noch einmal auftreten zu lassen und damit die Rahmenerzählung zu schließen.
  • Das bedeutet nämlich zunächst für die Hörer der Geschichte von Herrn Egge, dann aber vor allen Dingen für denLeser der gesamten Parabel, dass er sich selbst Gedanken macht, was Herr Keuner mit seiner Geschichte sagen will und am Ende erreicht hat.
  • Ganz klar ist ja, dass er die Geschichte erzählt hat, um sein eigenes Verhalten zu rechtfertigen.
  • Insgesamt besteht die Gemeinsamkeit zwischen den beiden Geschichten aus drei Elementen:
  • Zunächst einer klaren Haltung gegen Gewalt beziehungsweise für das Nein,
  • dann eine außergewöhnliche Situation, in der diese Haltung auf die Probe gestellt wird.
  • Und das dritte Element ist die scheinbare Kapitulation, auf die dann zumindest bei Herrn Egge der Sieg folgt durch geschicktes Verhalten und anschließendes Überleben.
  • Dieser Teil wird in der Geschichte um Herrn Keuner  nicht mehr ausgeführt. Offensichtlich zielt die Geschichte darauf ab, dass der Leser selbst beide Geschichten für sich auswertet.
  • Die entscheidende Aussage, man spricht bei einer Parabel auch von dem gemeinsamen Punkt der beiden Seiten, ist, dass es nicht sinnvoll ist, angesichts eines überlegenen Gegners in einen aussichtslosen Widerstandskampf zu gehen. Als sinnvoll angesehen wird ein Verhalten, bei dem man auf das eigene Überleben setzt.
  • Das ist natürlich auch zugleich die Schwachstelle dieser Geschichte: Denn in der Geschichte vom Herrn Egge verzichtet der Agent auf die äußerste, auch verbale Unterwerfung. Und in der Geschichte um Herrn Keuner erscheint es äußerst fragwürdig, bleibt ob die Gewalt einfach so weggeht und er mit seiner Lüge also durchkommt.
  • Diese Geschichte passt natürlich sehr gut zum Verhalten der Hauptfigur in Brechts Stück „Leben des Galilei“ gegenüber der Inquisition. Auch dort hat Galilei ja durchaus etwas Glück, dass der neue Papst nur das Zeigen der Instrumente und nicht ihre Anwendung erlaubt. Man muss nur an die vielen armen Hexen und viele Ketzer des Mittelalters denken, denen die Methode des Herrn Keuner wohl kaum das Überleben gesichert hätte.
  • Und Brecht musste natürlich nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Ende der Herrschaft der Nationalsozialisten wissen, dass deren Opfer in der Regel auch keine Chance bekommen hatten, ihrem Schicksal einfach nur durch Anpassung und Fleiß zu entkommen.
  • So ist der Leser am Ende in einer Situation, in der er auch zum „Denkenden“ werden muss. D.h. er muss überlegen, welche Reaktion im konkreten Fall gegenüber Gewalt und Tyrannei am meisten hilft. Dabei kann natürlich das, was Herr Keuner empfiehlt, eine Möglichkeit sein. Aber wenn die Gewalt sich als langlebiger erweist und die Unterdrückten sich zu Tode schuften müssen, ist die Methode des Herrn Egge möglicherweise nicht die beste Maßnahme.


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